Clinch in der Ostkurve

Werder-Fans schaden dem Verein mit Rauchbomben und Nazi-Liedern. Der Club greift gegen die aktivsten Fans durch. Die fühlen sich zu Unrecht bestraft und wollen keine Hilfsordner werden

„Wer nichts gegen diese Randalierer tut, der billigt ihr Verhalten“

Weserstadion, Samstagnach-mittag, 15.30 Uhr. Grabesstille. Auf dem Rasen rennen die Grün-Weißen an, auf den Rängen muckst sich niemand. In der Ostkurve klafft eine große Lücke. Eine Horrorvorstellung, die Realität werden könnte, denn die aktivste Fan-Gruppe liegt mit dem Verein derzeit über Kreuz.

Wenn Werder-Fans Riesenfahnen entrollen, Choreographien mit Pappschildern aufführen oder aus der Ostkurve einfach mal richtig laute Anfeuerung kommt, dann steckt in der Regel die „Eastside“ dahinter. Die Fan-Gruppe mit 120 Mitgliedern, die sich zur „Ultra“-Szene zählt, dominiert die Ränge klar, mobilisiert etwa so viele Leute wie alle anderen Fanclubs zusammen. Schon montags bereiten sie im Ostkurvensaal ihre „Kurvenshow“ für das Heimspiel am nächsten Wochenende vor, tragen gemeinsam mit dem Fanprojekt auch den Betrieb des Saals. Der Verein weiß, was er an den Stimmungsmachern hat: Er vergibt an die aktiven Fans „Arbeitskarten“, die den Einlass in den Stadion-Innenraum erlauben – zur Vorbereitung auch schon Stunden vor Spielbeginn.

Gegen Kaiserslautern war dann plötzlich alles anders. Die Karten wurden eingezogen. Auslöser für die harte Welle war das Pokalspiel in St. Pauli zehn Tage zuvor: Aus dem Werder-Fanblock flogen Rauchbomben, das Spiel stand vor dem Abbruch. Nur mit Mühe konnte Kapitän Frank Baumann die eigenen Fans zur Ruhe bringen. Negativer Höhepunkt: Werder-Anhänger grölten das unter rechtsradikalen Fans beliebte Lied „Wir bauen eine U-Bahn von Auschwitz nach St. Pauli“. Da platzte Werders Fanbeauftragtem Dieter Zeiffer der Kragen: „Der Stehplatzblock entpuppte sich als ein Haufen Idioten“, schrieb er in der Stadionpostille Werder Magazin, das Spiel habe bessere Fans verdient.

„Das ist ein Schlag ins Gesicht von 2.000 Werder-Fans, die sich für eine Auswärtsfahrt einen Tag frei nehmen“, schimpft Eastside-Chef Mike Redmann. Zeiffer habe zudem die Eastside beschuldigt, das Nazi-Lied per Megaphon verbreitet zu haben. „Nein“, sagt Zeiffer, „die, die das gegrölt haben, sind doch festgenommen worden.“ Der – zunächst auf zwei Spiele befristete – Entzug der Arbeitskarten treffe natürlich auch Unschuldige. „Aber der Verein musste ein Signal setzen.“ Der Deutsche Fußballbund und sein europäisches Pendant haben schon Berichte angefordert, Werder drohen Geldstrafen für das Verhalten der Anhänger, nachdem die schon eine Woche vorher beim UEFA-Cup-Gastspiel in Arnheim unangenehm aufgefallen waren: Auch dort wurde gezündelt, einige sangen „Wir marschieren wieder ein“.

„Wer nichts gegen diese Randalierer tut, der billigt ihr Verhalten“, macht Zeiffer die organisierten Fans mitverantwortlich. „Wir lehnen Rauchbomben und rechtsradikale Gesänge grundsätzlich ab“, sagt Redmann, „aber müssen wir jetzt vor jedem Spiel zwei Übeltäter ausliefern, um unsere Show machen zu dürfen?“ Eigentlich hatte die Eastside beschlossen, die Zusammenarbeit mit Zeiffer aufzukündigen und in einem Brief an den Verein seinen Rücktritt zu fordern. „Das hier ist ja nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Redmann, „Zeiffer mobbt schon lange gegen uns, wo er nur kann.“ Aber in einer Aussprache am vergangenen Dienstag geriet der einstimmig gefasste Beschluss ins Wanken: Einige Fans gaben zu bedenken, dass man die Kraftprobe verlieren und sich damit beim Verein ins Abseits manövieren könnte. Gleich nach dem Auswärtsspiel in Berlin soll am Montag neu beraten werden.

jank