Ein Lob der Unverfänglichkeit

„Othello“: Die Premiere der bsc strotzte nicht gerade vor atemberaubender Kreativität

„Teurer, Guter, Liebster!“ haucht Desdemona und mehr als solch’ sanftmütige Worte scheint Othellos Gemahlin nicht zu kennen. Sie ist edel bis zum Haaransatz, liebt alle und jeden und ihre Güte kennt keine Grenzen.

Dabei besitzt sie auch einen deutlichen Mangel an Charakter. Gab William Shakespeare der Dame in seinem Stück Persönlichkeit oder zumindest überwältigende Ausstrahlung (denn irgendwas muss ja an ihr dran sein, das alle Männer verzaubert), so setzte Tina Eberhard als Desdemona bei der „Othello“-Premiere in der Shakespeare Company alles daran, das zu verheimlichen. Sicher, sie war schön, so schön unschuldig in ihrem weißen Kleidchen – doch zu mehr reichte es nicht. Kein Wow-Effekt, kein Charisma, sondern eine leere Hülle wandelte da über die Bühne.

Und das bei dieser Vorlage. Shakespeares Tragödie ist bekanntermaßen gespickt mit Intrigen, Liebe, Leidenschaft. Der Berliner Regisseur Ramin Yegani-Fard hatte erklärt, die Inszenierung sei „bewusst zeitlos und neutral gehalten“. Er habe versucht, „für jede Figur eine Handlung zu finden, die den Charakter unterstreicht.“ Gute Vorsätze, doch an der Umsetzung hapert es. „Bewusst zeitlos“ verwandelte sich in unbewusst einfallslos. Mit spartanischem Bühnenbild inszenierte Yegani-Fard das Drama starr vom ersten bis zum letzten Akt durch. Ohne Ideen, anscheinend ohne Leidenschaft und mit eindeutigem Mangel an herausragenden Persönlichkeiten. Harald V. Sommer als fieser Fähnrich Jago versucht einigermaßen gelungen, eine hinterhältige Aura um sich herum zu kreieren. Aber er und Cassio (Sebastian Kautz) sind letztendlich die beiden einzigen Figuren, deren Charaktere sich nicht nur im Hinterhalt verstecken, sondern sichtbar werden. Titelheld Martin Schwanda dagegen marschiert als kleiner Kauz mit krächzender Stimme ins Geschehen: Einen Ehrfurcht einflößenden General nimmt man ihm nur schweren Herzens ab.

Der einzig kreative Hauch der Inszenierung ist leider ein zugleich nervtötender: Da alle Schauspieler ständig auf der Bühne bleiben, setzt Yegani-Fard kreischende Geräusche als Szenentrenner ein – was zunächst modern anmutet, sich auf Dauer jedoch als ziemlich unpassend erweist und bei den schnell hinterfolgenden finalen Mordszenen in’s Unerträgliche steigert. Immerhin: Auf diese Weise gelangt die Inszenierung schluss-

endlich noch zu Intensität – wenn auch nur zu akustischer.

Susanne Polig

Weitere Vorstellungen: Sonntag um 18 Uhr sowie am 7., 14. und 27. 12. jeweils um 19.30 Uhr am Leibniz-Platz. Karten: ☎ (0421) 500 333