„Ich war nie weg“

Der Sänger und Pianist Andy Bey ist auf einmal wieder ganz oben. Am Sonntag tritt er in Bremen auf

taz: Mister Bey, im Jazz gibt es Vokalisten, die ihre Stimme wie ein Instrument einsetzen und Sänger, denen es vor allem um Song und Text geht. Sie zählen zu den letzteren. Wie wichtig ist es Ihnen, jeweils auch dem Text gerecht zu werden?

Bey: Ich versuche immer eine Balance zwischen den Worten und der Musik zu finden. Viele können improvisieren und versuchen dabei, clever zu sein. Aber für mich ist es viel wichtiger, mich mit dem Sinn des jeweiligen Songs auseinanderzusetzen. Und dann kommt es darauf an, ihn im richtigen Tempo, in der richtigen Tonlage, mit dem passenden Sound zu interpretieren. Die Virtuosität ist mir dabei nicht so wichtig. Und auch wenn ich musikalisch sehr komplizierte Dinge mit meiner Stimme mache, dann nur um zur Essenz eines Songs zu gelangen. Technik sollte als ein Mittel des Ausdrucks genutzt und nicht ausgestellt werden.

Sie begannen Ihre Karriere als drei Jahre altes Wunderkind auf dem Piano und es gab Zeiten, in denen Sie nur Piano spielten. Erst später begannen Sie zu singen. Sehen Sie sich als singenden Pianisten oder als Sänger, der sich selber auf dem Piano begleitet?

Ich haben von beiden ein wenig, auch wenn ich dabei nicht so brillant wie Nat King Cole bin, der zugleich ein erstklassischer Pianist und Sänger war. Ich traf ihn als Elf-Jähriger, und er war ein wichtiges Rollenmodell für mich.

Sie haben sich gesagt: „Das will und kann ich auch machen“?

Ehrlich gesagt, Ja! Er inspiriert mich bis heute. Und er war auch einer, der mit seiner Virtuosität nicht angeben musste. Seine Diktion, sein Umgang mit der Poesie der Songs sowie seine Musikalität zeichneten ihn aus.

Seit 1996 gibt es inzwischen drei CD-Einspielungen von Ihnen mit Songs, die von alten Standards über die brasilianische Musik von Milton Nascimento bis zu „Fragile“ von Sting reichen, und mit diesem Material sind Sie jetzt wieder auf Tournee. Aber Sie mögen es gar nicht, wenn man von Ihrem Comeback spricht.

Nein, denn ich war ja nie weg! Es ist nur so, dass die grossen Record-Companys kein Interesse daran hatten, Platten von mir auf den Markt zu bringen. Diese CDs wurden von einem Independent Label produziert, wir sind von Tür zu Tür mit den Aufnahmen gezogen, doch dann kamen wir in die Top Ten der Jazzcharts und es wurden sehr positive Kritiken in Zeitungen wie der New York Times geschrieben. Es war ein totaler Bruch mit dem, was ich vorher gemacht hatte. Ich hatte zwar auch schon vorher meine Stimme manchmal eher weich klingen lassen, aber hier wollte ich dies bis zum Ãußersten ausreizen, um eine andere Seite von mir zu zeigen.

Ich weiß nicht, ob Sie darüber reden wollen: 1994 wurden Sie als HIV-positiv diagnostiziert und danach haben Sie sich zu ihrer Homosexualität bekannt, was unter Jazzmusikern extrem selten ist.

Ich selber habe es ja öffentlich gemacht, also kann ich auch darüber reden. Es geht mir zur Zeit recht gut, ich bin also nicht krank in dem Sinne, aber ich haben eine lebensgefährliche Krankheit in mir, die jetzt aber seit einigen Jahren unter Kontrolle ist. Und ich wollte einfach nichts verbergen, ich wollte öffentlich machen, wo ich herkomme. In dieser Situation ist es wichtig zu wissen, wer auf deiner Seite steht und wer nicht. Und die Jazzszene ist in mancher Hinsicht eine sehr homophobe Macho-Gesellschaft. Alleine schon deshalb habe ich mich bekannt, und es hat eine grosse Last von mir genommen.

Interview: Wilfried Hippen

Andy Bey tritt in der Reihe „Sparkasse in concert“ diesen Sonntag um 20 Uhr im Sendesaal von Radio Bremen auf