Juwel am Märkischen Meer

Einst war Bad Saarow die Sommerfrische für finanzkräftige Berliner. Heute versucht der Ort an diese Tradition wieder anzuknüpfen mit einem 300 Hektar großen Golfresort und neuem Thermalbad

von CHRISTINE BERGER

Es gibt Albträume, die brauchen nur ein Stichwort. Parkleitsystem etwa oder Hotelroute. Gemeint sind kleine, gemeine, weil völlig unleserliche Schilder am Straßenrand, die Autofahrer dafür bestrafen, dass sie Auto fahren oder zu schnell fahren oder oder oder.

So auch in Bad Saarow. Wer als Gast an einem Freitagabend in den Kreisverkehr vor dem Bahnhof einfährt, kommt nicht wieder raus. Kein passendes Schild weist den Weg zum Hotel, stattdessen irres Diskutieren im Auto, welche Richtung zu nehmen sei. Natürlich nehmen wir die falsche, passieren die Therme, dann kommen Plattenbauten im dottergelben Schein der Straßenlaternen. Schließlich ein Mensch, der uns knappe fünf Kilometer wieder zurück zum Kreisverkehr schickt. Wir fahren und fahren durch öde Straßen, Hotels und Kliniken am Rand spenden Neonlicht. Die Schilder der Hotelroute verlangen unsere ganze Konzentration. Immerhin ist jetzt unser Hotel darauf vermerkt, doch in welche Richtung der Pfeil zeigt, ist selbst bei Tempo 30 nicht zu erschließen. Also wieder zurück und mit Fernlicht das Schild fixiert. Aha.

Eine halbe Stunde später und ungefähr fünf Kilometer weiter sind wir endlich da. Im Maul des Löwen, dem King unter den Hotels am Scharmützelsee, „Das Brandenburg“, ehemals Palmerston Golf-Resort-Hotel, ehemals Kempinski. Fünf Sterne zieren das Portal des Luxustempels, mehr ist an diesem Abend nicht mehr zu sehen.

Wir kommen zu spät zum Diner. Während das Fischsüppchen aufgetragen wird, tauschen die Kollegen ihre Anfahrtsabenteuer aus. Reisejournalisten aus dem In- und westdeutschen Ausland haben hergefunden, um einmal die Pracht zu beschreiben, die Bad Saarow zu bieten hat. Und natürlich das Hotel insbesondere. Wir sind gespannt, haben die Plattenbauten und der morsche Bahnhof nicht den besten Eindruck hinterlassen.

Dass nicht jeder der 4.000 Einwohner in einer schmucken Villa am See wohnt, ist logisch. Doch wenn sie schon nicht dort leben dürfen, so arbeiten viele zumindest in den Villen oder pflegen Golfplätze, putzen oder versorgen Reitpferde. Rund 250 Mitarbeiter beschäftigt allein das „Brandenburg“. Drei Golfplätze, zwei Tennishallen und eine Reithalle mit 35 Pferden, fünf Restaurants sowie ein Jachthafen verteilen sich auf 300 Hektar Fläche. Und so mancher ärmlich wirkende Weiler ist vom Golfresort gewissermaßen umzingelt. Jüngste Neubauten im Ort beherbergen das Personal.

Und das wird auch gleich im Hotel geschult. Tafeln in den Seminarräumen zeugen von der neuen Schule der Dienstleistunggesellschaft. „Ich diene gerne“ und „Heute ist mein bester Tag“ sind Sprüche, die heute jeder Kellner verinnerlichen muss. Das Personal des Ressorts sieht die Sache mit dem Dienen jedoch relaxt. „Wir denken da eher ans Verdienen“, sagt eine junge Mitarbeiterin, die betont, dass auch das Personal gratis zum Golf oder Tennisschläger greifen darf, vorausgesetzt der Arbeitsalltag lässt noch Zeit.

Im Prinzip könnte das größte Ressorthotel Deutschlands auch auf dem Mond stehen, in Florida oder auf Mallorca. Dass es bei Bad Saarow seinen Sitz genommen hat, ist der Nähe zur Hauptstadt geschuldet. Sportliche Menschen mit viel Geld sollen sich hier am Wochenende ausspannen, ihren Nachwuchs an der Reithalle abgeben oder im Kinderhotel und frische Luft schnappen auf dem Golfplatz. Doch die Rechnung geht nicht so recht auf, wer will schon in den Wintermonaten bei Wind und Wetter seinen Caddy über den Platz ziehen. „Da gehe ich doch eher nach Hawai“, bringt es einer der Kollegen auf den Punkt, als wir mit dem Shuttle das patschnasse Gelände abfahren. Bis 2005 soll das Hotel, das einer österreichischen Unternehmerfamilie gehört schwarze Zahlen schreiben. Bis dahin verschlingt die Anlage munter Millionen, und man fragt sich, wer die bezahlt und wozu.

Schließlich ist da auch noch Bad Saarow. Keine Schiffsstunde entfernt, liegt das kleine Städtchen schläfrig am Nordufer des Scharmützelsees. Am Anleger drehen sich die Kräne über einem neuen 4-Sterne-Hotel, ansonsten ist der Uferweg gepflastert mit Villen (siehe Kasten), die einst Berliner mit Rang und Namen beherbergten. Unter anderem weilte hier auch der Regisseur Herbert Selpin, der Anfang der Vierzigerjahre eine Neuverfilmung über den Untergang der „Titanic“ auf dem See realisieren sollte. Weil er sich während der Dreharbeiten mit dem Naziregime anlegte, landete er im Knast und beging Selbstmord. Der Film wurde zwar zu Ende gedreht – den schicksalshaften Eisberg baute ein heimischer Tischlermeister – gelangte aber erst später in die Kinos, weil er nicht mehr in die Untergangsstimmung gegen Ende des Krieges passte.

In den Jahren danach war Bad Saarow weniger Filmkulisse denn Erholungsort. Nach dem Zweiten Weltkrieg mutierte Bad Saarow zum „Bad der Werktätigen“. Rund 500.000 Urlauber jährlich hatte der Ort zu verkraften, den die Sowjets zur Hälfte zum militärischen Sperrgebiet gemacht hatten. Da hinter dem Stacheldraht auch die 1927 angebohrte Solequelle lag, war vorerst Schluss mit dem Baden im Salzwasser. Den Touristen musste der Sprung in Brandenburgs größtes Gewässer genügen, das „Märkische Meer“, wie einst Theodor Fontane den Scharmützelsee nannte.

Doch die Zeiten ändern sich. Aushängeschild des Ortes ist die neue Therme, die aus einer Mischung römisch-japanischer Baustile die Geister im Ort scheidet. Kurdirektor Axel Walter spricht in diesem Zusammenhang gern von bewusstem Stilbruch. Egal, den Leuten gefällt das warme Wasser und die unzähligen Wellness-Angebote. Der Kurdirektor, der bis vor kurzem noch Bürgermeister war, hat sogar mit der Deutschen Bahn ein Extra-Wellness-Ticket ausgehandelt, dafür ist ihm der ganze Ort dankbar. Immerhin hat die Gemeinde in den letzten vier Jahren 60 Millionen Euro in die Infrastruktur investiert. Hat diese vermaledeiten Hotelroutenschilder aufstellen lassen sowie ein modernes Shuttle-Bussystem eingerichtet, das Saarow-Gäste auf Handzeichen hin aufliest und am gewünschten Ziel wieder absetzt.

Doch noch sind es zu wenige, die am Straßenrand stehen, besonders im Winter. Sollen die Touristen doch endlich mal kommen, um sich im Zentrum für Chinesische Medizin auszukurieren. Oder im Kurheim für Schwangere, dem Einzigen in ganz Deutschland.

Infos: Kur- und Fremdenverkehrsgesellschaft mbH Saarow Centrum, Ulmenstraße 15, 15526 Bad Saarow, Tel. (03 36 31) 86 80 oder im Internet unter www.bad-saarow.de. Das Saarow-Thermen-Ticket kostet 14,80 Euro für eine Person und beinhaltet die Hin- und Rückfahrt zwischen Berlin und Bad Saarow sowie einen dreistündigen Aufenthalt in der Saarow-Therme. Besucher fahren von einem der Berliner Bahnhöfe im 30-Minuten-Takt mit dem Regional-Express 1 nach Fürstenwalde. Dann mit der Regionalbahn oder dem Bus bis zum Scharmützelsee und zur Saarow-Therme. Das Ticket ist erhältlich an allen Verkaufsstellen der Deutschen Bahn und Reisebüros mit DB-Lizenz in Berlin und Brandenburg.