Tanz im Wüstensand

Mit singenden Sägen zum Weltuntergang: „Black Heart Procession“ spielen am Mittwoch in der Schilleroper ihre morbiden Americana

von MATTHIAS SEEBERG

„I got stones in my passway, and my road is dark as night“, sang einst Robert Johnson, vom Teufel getrieben, vom Leid geplagt. Daran hat sich nicht viel geändert –zumindest in der Musik von Black Heart Procession. Schon auf ihrem erstem Album ging es um zerstochene Herzen, um erfrorene, verlassene und um von Dunkelheit erfüllte – eine wahre Prozession schwarzer Herzen, untermalt von den schaurigen Klängen einer singenden Säge. Die Band aus San Diego, die mittlerweile ihr viertes Album, Amore Del Tropico, veröffentlicht hat, lädt am Mittwoch zum Totentanz in die Schilleroper.

Pall Jenkins, der Sänger der Band, und sein Compagnon Zach am Bass traten schon mit dem Projekt Three Mile Pilot an, dem Ursprung des musikalischen Trauerspiels so nahe wie möglich zu kommen. Doch erst mit Black Heart Procession fand sich das geeignete Instrumentarium dafür. Es ist die Musik der Waisenkinder einer längst zerfallenen Südstaatenaristokratie, die ihre Trauer um die verlorenen Paradiese nun dort in Kalifornien zelebrieren, wo bleiche Rinderschädel im Staub typischer sind als gebräunte Surfer.

Auf ihrem ersten Longplayer findet sich das 54-sekündige „The Winter My Frozen Heart“, ein Instrumental, auf dem ein gehetztes Piano vom Geräusch eines Schneesturms untermalt ist. Man spürt förmlich den rasenden, vor der Kälte fliehenden Herzschlag, der letzendlich doch dem eisigen Wind unterliegt. In nuce ist hier enthalten, was Black Heart Procession sonst in morbider Balladenform zum Besten geben: die Vergegenwärtigung von Verfall und Untergang solange die Hallspirale klingt. Ihre karnevalesk anmutende Melange aus Country, Folk und Gothic mit Tendenz zur Filmmusik bildet die dunkle Seite dessen, was als Americana bezeichnet wird. Vergleiche mit den Tindersticks und den Bad Seeds sind oft gezogen worden, doch das auf den früheren Black Heart-Platten inszenierte Weltenende klang um einiges kantiger und brüchiger.

Auch das jüngste Album verbreitet wieder schwermütige Melancholie, bekommt jedoch durch den Einsatz von Streichern und Klavier eine orchestrale Opulenz, die den todtraurigen Stücken Glanz verleiht. Beigetragen hat dazu auch der inzwischen in San Diego lehrende Ex-Hamburger Cellist Charles Curtis. Das Stück „The Visitor“ belehrt dann eines Besseren: Es klingt, als habe der Knochenmann persönlich am Klavier gesessen und der Band vor der Aufnahme die Lektüre von William Faukners Als ich im Sterben lag und den Genuss einer Roger-Corman-Nacht ans Herz gelegt.

„Was it here where we left our hearts?“ heißt es in dem Song „Tropics of Love“ und ruft in Erinnerung, dass die Verzweiflung ihren Anfang oft in unerfüllten Liebesbeziehungen und gescheiterten Sehnsüchten des Alltags nimmt. Der damit verbundene Ennui wird auf Amore Del Tropico mit einem dekadenten Gestus vorgetragen, der manchmal an die dandyhaften Abgesänge von Divine Comedy heranreicht. Doch Black Heart Procession sind viel zu sehr dem Image kalifornischer Wüsten-Rocker verhaftet, als dass sie jemals Pop machen würden. Gleichwohl weisen sie in ihrer Selbstinszenierung Spuren kauzigen Humors auf. Und wenn mal nicht in ihrer Musik, dann im Auftreten. Erinnert sei nur an ein Foto der in ihrer Besetzung ständig wechselnden Band, auf dem einer der Herren mit einem Pferdekopf zu bewundern ist. Es bleibt abzuwarten, welche düsteren Überraschung sie für das Konzert bereithalten.

mit DJ Anna Loog: Mittwoch, 22 Uhr, Schilleroper