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Der jamaikafreundliche Kölner Pastorensohn Gentleman brachte im Aladin tief überzeugt fast alles auf den Punkt

Bis Gentleman die Bühne betritt, ist noch etwas Zeit. „Seid ihr bereit für‘n bisschen Widerstand?“, ruft es dem Publikum von oben entgegen. Was gut und gern mit einem Jaaah! quittiert wird. Wir indes betreten, durch viel gute Laune hindurch, die lokale Nasszelle. Sekunden später ertönt eine Human Beat Box, darüber kicken zwei Jungs ihre Rhymes. Hier vielleicht, weil die Akustik des gekachelten Raums nicht schlecht ist.

Aus den Katakomben emporgestiegen, darf dann auch bald Gentleman besichtigt werden. Offenbar wegen der großen Nachfrage wurde sein „Journey to Jah“- Konzert vom Modernes ins Aladin verlegt. Und er tut alles dafür, den Ort in eine Großraum-Dancehall zu verwandeln. Was nicht immer gelingt. Aber das hängt vielleicht eher mit dem Raum zusammen. An der Bühnenpräsenz des jamaika-

freundlichen Pastorensohns aus Köln jedenfalls gibt es kaum etwas zu bemängeln.

Er ist ja auch nicht irgendwer. Wem sonst würde man es abnehmen, die Publikumsadressen ausschließlich in Englisch zu formulieren. Womit wir bereits bei einem wichtigen Schlagwort angelangt wären. Der Credibility. Gentleman, der – so will es die Legende – vor Jahren in eines der legendären Kingstoner Musikstudios hineinstiefelte, kommt das Verdienst zu, Reggae und related Styles hierzulande noch einmal anders populär zu machen. Tatsächlich bekam er seine beiden Longplayer „Trodin on“ und zuletzt “Journey to Jah“ weitgehend in den Main Street Studions produziert.

Gentleman hat sich – die tiefe Überzeugung kommt schon rüber, wenn er über die Bühne hüpft – das Original-Pathos Jamaikas und die amtlichen Reggae- Styles angeeignet. „Journey to Jah“ ist ein inspiriertes modernes Roots-Album geworden. Anders als etwa Jan Delay mit „Searching the Jan Soul Rebels“ blickt Gentlemans Musik trotz Kooperationen mit Freundeskreis oder Mellowbag weniger auf hiesige Popkultur.

Trotzdem kennt er seine junge Klientel genau. Nicht zuletzt darum wird der Abend zu einem Gute-Laune-Konzert. Gentlemans spiritueller Diktion scheint dabei gar keine so große Rolle zuzukommen. Und auch die „legalize it“-Bemerkungen gehören zum Spiel. Spannender ist da schon, wie vielseitig die Band sich auf das Gentleman-Material abstimmen lässt. Da klingt kein Song so wie auf Platte. Alles scheint für den Auftritt nochmals bearbeitet, mal gestrafft, mal gedehnt. Was Gentleman tut funktionierte auf den Punkt – wären da nicht der lausige Klangraum und die überflüssigen Saxofon- und Gitarrensoli.

Tim Schomacker