Langer Weg durchs Tal

Mit 76:64 gewinnen die deutschen Basketballerinnen gegen Israel ihr erstes Spiel in der EM-Qualifikation: Wohl zu wenig, um den weiteren Absturz aus der Spitzenklasse aufhalten zu können

aus Dessau UTE BERNDT

So unwohl haben sich Marlies Askamp und ihre Kolleginnen noch nie gefühlt, wenn sie für einen Sieg gefeiert wurden. Was die rund 3.000 begeisterten Zuschauer am Samstag in Dessau beim Gratulieren und Schulterklopfen nicht wussten: der 76:64-Sieg der deutschen Basketballerinnen gegen Israel war zu niedrig ausgefallen. Er lässt der DBB-Auswahl am Mittwoch in Chemnitz nur noch eine theoretische Chance, sich für die Europameisterschaft 2003 in Griechenland zu qualifizieren. Sie müsste mit 37 Punkten Differenz die Rumäninnen schlagen, gegen die das Hinspiel mit 61:75 verloren ging. Nur dann läge sie, einen Sieg des ungeschlagenen Gruppenersten Spanien in Tel Aviv vorausgesetzt, im Dreiervergleich mit den punktgleichen Teams aus Israel und Rumänien vorn und wäre als Gruppenzweiter qualifiziert. Mehr als die vage Hoffnung an die von Flügelspielerin Sophie von Saldern beschworene „Sensation von Chemnitz“ lebt also nicht.

Mit einem Aus am Mittwoch würde der deutsche Frauenbasketball seinen freien Fall fortsetzen. Vom EM-Bronzemedaillengewinn 1997 in Ungarn über den letzten Platz bei der EM 1999 in Polen und die noch mit Pech verpasste Qualifikation für 2001 bis zur jetzigen, trotz großen Losglücks, eigenverschuldeten Pleite. Die Spielerinnen beklagen vor allem die mangelhafte Vorbereitung auf die entscheidenden Spiele. Seit der ersten Hälfte der Qualifikation im November 2001, als der Karren ohne die verletzte Galionsfigur Askamp mit drei hohen Niederlagen in den Dreck gefahren wurde, gab es keinerlei Lehrgänge. „Wir konnten nichts einüben“, stöhnte Bundestrainer Olaf Lange, der seine Mannschaft erstmals vier Tage vor dem Spiel vergangenen Mittwoch in Spanien (59:84) zum Training versammeln konnte. In Spanien lief nichts zusammen, auch in der ersten Hälfte gegen Israel blieb das Spiel erschreckend einfallslos, erst in der zweiten kombinierte das leidenschaftlich kämpfende Team so flüssig, dass es seine deutlichen Längenvorteile in einen Vorsprung umwandeln konnte.

Der DBB hatte seine Frauenauswahl offenbar schon abgeschrieben. „Die Mannschaft ist im Umbruch, uns ist bewusst, dass wir durch ein Tal gehen“, sagte Sportdirektor Wolfgang Brenscheidt. Das Augenmerk liege momentan darauf , U 20-Spielerinnen einzubauen. Während Lange den Generationswechsel auf der im internationalen Vergleich traditionell schwächer besetzten Spielmacherpositionen schon eingeleitet hat, sind auf den größeren Positionen allerdings kaum Nachfolgerinnen für die Leistungsträgerinnen in Sicht. Dass es in diesem Sommer kein Programm mit Lehrgängen und Spielen für das Nationalteam gegeben habe, sei allerdings keine Schuld des DBB, beteuerte Brenscheidt. Durch die Saison der US-Profiliga WNBA (mit Askamp und Linda Fröhlich) und die U 20-EM (Deutschland Letzter) seien nicht genügend Spielerinnen verfügbar gewesen. Nächstes Jahr werde es wieder ein Sommerprogramm geben, mit dem sich die Mannschaft auf die dann wohl nötige Vorqualifikation für die Qualifikation auf die EM 2005 einspielen kann.

Beim Verband vergleicht man die „Umbruchphase“ mit dem Tief der männlichen Kollegen nach dem EM-Triumph von 1993. Allerdings haben sich die BBL-Vereine in den vergangenen zehn Jahren enorm professionalisiert und bieten den deutschen Talenten mittlerweile gute Entwicklungsmöglichkeiten. Bei den Frauen hingegen sind seit 1997 eher Rückschritte erkennbar. Kein Klub, der seinen Spielerinnen professionelle Trainingsbedingungen bot, konnte finanziell überleben. Der Rückzug des Serienmeisters und Europaligisten Wuppertal Wings im September war der Tiefpunkt. „Die Nationalmannschaft hat ja jahrelang davon gelebt, dass wir uns aus Wupperal kannten“, verdeutlicht Marlies Askamp die Verschlimmerung des Problems. Die von Lange geforderten zehn bis zwölf Trainingseinheiten pro Woche absolvieren jetzt nur noch die vier ins Ausland gewechselten Spielerinnen. „In Deutschland bricht immer mehr weg, und die anderen Länder in Europa geben richtig Gas“, weiß Sophie von Saldern, die in Allesandria/Italien paradiesische Profibedingungen vorgefunden hat. In Spanien, berichtet Askamp, die vergangene Saison in Valencia aktiv war, „leben zumindest in den besten acht Teams alle Spielerinnen vom Basketball.“ Olaf Lange hingegen muss seit Jahren Absagen von Talenten aus beruflichen oder Studiengründen hinnehmen. „Das Berufsbild Profisportler existiert im weiblichen Bereich nicht“, sagt Brenscheidt.

Das Problem ist erkannt. Brenscheidt kündigte für Anfang Dezember Gespräche mit der Bundesliga, der DBBL, an, um die Trainingsbedingungen zu verbessern. Dem Nationalteam helfe nicht ein Lehrgang mehr. „Entscheidend ist, wie sich die Athletinnen über das ganze Jahr entwickeln. Wir müssen Wege finden, den Spitzensport mit dem Beruf zu verbinden.“ Das allerdings hatte auch schon Langes Vorgänger Bernd Motte 1997 gefordert.