Das Feuer ist aus

Felix Magaths VfB Stuttgart besiegt das 96-Team seines Vorgängers mit 3:0 und glaubt an rosige Zeiten

STUTTGART taz ■ Der Feuerwehrmann steht immer unter Zeitdruck. Wird er gerufen, steht das Gebäude schon in Flammen. Seine einzige Aufgabe ist es, den Brand zu löschen, danach hat der Feuerwehrmann seine Schuldigkeit getan, er kann nach Hause gehen. Für die Vision eines neuen Lebens, für den Wiederaufbau ist der Architekt zuständig.

Der Fußballtrainer Felix Magath galt in seiner Branche als Feuerwehrmann: als Retter in der Not des Abstiegskampfes. Er bildete die letzte Instanz, den Trouble Shooter mit den umstrittenen Methoden. Magath eilte ein zweifelhafter Ruf voraus, nachdem er zuerst den HSV, dann Nürnberg und Bremen und schließlich Frankfurt vor dem Abstieg gerettet hatte. Immer musste er danach schnell wieder die Koffer packen. Ein Architekt zu sein, einer, der eine Mannschaft formt und langfristig mit ihr arbeiten kann, das schrieb man Felix Magath nun wirklich nicht zu, als er im Februar 2001 den VfB Stuttgart vor dem Abstieg retten sollte.

21 Monate später. „Das Schlechte ist, dass ich heute nichts zu meckern habe.“ Lautes Lachen und Beifall im Presseraum. Felix Magath sagte diesen Satz am Samstag, als seine Stuttgarter Mannschaft das Hannover 96 seines Vorgängers Ralf Rangnick mit 3:0 nach Hause geschickt hatte. „Es gibt nur einen Felix Magath“, schallte es durch das Neckarstadion. Das stimmt nicht. Es gibt den Magath vor Stuttgart und den Magath seit Stuttgart. Zwar predigt der 49-Jährige, den man mit Saddam verglich und Quälix nannte, Grundzüge seiner früheren Arbeitsauffassung auch heute noch: Disziplin, harte Arbeit und Fleiß, doch fügt er schnell hinzu: „Ich bin inzwischen zu Kompromissen bereit.“

Dazu wurde er durch die Rahmenbedingungen beim VfB auch gezwungen. Nach dem Klassenerhalt in der vorletzten Saison wurden die Finanzlöcher aus der Ära Mayer-Vorfelder immer größer, kein Geld war da für teure Neuzugänge, wie Rangnick sie immer forderte. Die Mannschaft und ihr Trainer machen eine Tugend aus der Not. Über den UI-Cup in den Uefa-Cup – und dort am Donnerstag in Brügge mittlerweile in der vierten Runde – in der Bundesliga nach dem Sieg gegen Hannover auf Rang drei, spielen die „jungen Wilden“ um die beiden Fußballgreise Zvonimir Soldo, 35, und Krassimir Balakow, 36, ohne Prämien erfolgreich, spektakulär und mit Perspektive.

„Für uns kann es nicht hoch genug hinausgehen“, sieht Magath keine Grenzen in der Entwicklung seines Teams. Alexander Hleb, 21-jähriger Weißrusse, zum Beispiel will in die Champions-League. Und wenn er so weiterspielt wie am Samstag, mag man daran glauben. „Dass der ein guter Fußballer ist, haben wir schon zu meiner Zeit gewusst“, meinte Rangnick. Spielen lassen hat er ihn nicht. „Der Alexander ist so stark, weil er in Balakow einen starken Mentor hat“, sagt Magath. Und weil Magath schlau ist und weiß, dass ein Balakow die Anerkennung des Trainers braucht wie der Säugling die Muttermilch, gab er ihm am Samstag ein Zuckerl. Drei Minuten vor Schluss durfte der Bulgare den Rasen verlassen. Der tosende Applaus muss wie eine Ohrfeige für Rangnick gewirkt haben, der nie mit dem Star zurechtkam.

46.000 Zuschauer waren es am Samstag. 26.000 mehr als sonst. Auch wegen Fredi Bobic, dem zweiten Heimkehrer, den sie feierten, als wäre er nie weg gewesen. Da sein Vertrag im Juni ausläuft, wird fleißig spekuliert über eine Rückkehr nach Stuttgart, wo seine Frau mit den zwei Kinder wohnt. „Darüber mach’ ich mir im Moment keine Gedanken“, flunkerte der nicht nur auf dem Platz umtriebige Angreifer. Und da Felix Magath in Stuttgart inzwischen auch die Brandschutzordnung selbst verfasst, sagt er zu einer möglichen Bobic-Verpflichtung: „Wenn wir uns so weiterentwickeln, brauchen wir keine neuen Spieler.“ Magath hat mit dieser VfB-Mannschaft noch einiges vor. „Wir können zusammen noch viel Erfolg haben.“ Er selbst will als Trainer im Ländle heimisch werden. Das Feuer hat er gelöscht, das Fundament gelegt, nun darf er darauf aufbauen. Felix Magath ist längst kein Feuerwehrmann mehr.

TOBIAS SCHÄCHTER