piwik no script img

Endlich steht die Null

Mit einem 1:0 bei Hertha schleicht sich Werder Bremen auf Rang zwei und somit in die Champions-League-Ränge. Dass dies mit keineswegs brillantem Fußball geschieht, spricht nicht eben für die Liga

aus Berlin FRANK KETTERER

Die Worte sprudelten nur so hervor aus Pascal Borel, und sie fanden sich stets zu fröhlichen Sätzen zusammen, die vor allem eines immer wieder deutlich machten: Der Torhüter des SV Werder Bremen war nach dem 1:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Hertha BSC Berlin zufrieden mit sich und der Welt, sehr zufrieden sogar –und maßgeblich dafür verantwortlich war ganz offensichtlich der Umstand, dass er und seine Kameraden im Berliner Olympiastadion einen unter der Woche gefassten Plan gerade tadellos in die Tat umgesetzt hatten. „Wir wollten zu null spielen – und das ist uns gelungen“, freute sich der 24-jährige Schlussmann nach Art eines Schneemanns.

Es war der Satz des Tages, und nach dem Spiel erklang sein Thema in Variationen an allen Ecken und Enden der zugigen Mixed-Zone, immer dann, wenn wieder ein Werderaner Stopp machte bei den lauernden Reportern: Hinten sicher, endlich mal zu null – einem Mantra gleich wiederholten sie, was zuvor ihr Chef schon anzumerken hatte zum alles in allem wenig erbaulichen Kick im feuchten Novembernebel. „In den letzten Wochen haben wir viel Kritik einstecken müssen, was unser Defensivverhalten angeht“, hatte Thomas Schaaf da zurückgeblickt, vor allem sein junger Torwächter war von Medien und Fans gleichermaßen für die übermäßige Trefferflut von 25 Toren in 13 Bundesligapartien verantwortlich gemacht worden. Fliegenfänger nennt man Keeper, die des Öfteren daneben greifen; Borel nannte man oft so. „Dem wollten wir heute widersprechen“, sagte Schaaf, am Ende des Tages sah er dieses Vorhaben schließlich „sehr, sehr gut erledigt“, weil: „Wir haben Hertha keine Chance gelassen.“ Dafür haben sie eine eigene verwandelt, schon nach 10 Minuten und natürlich durch Ailton. Es war der zehnte Treffer des pausbäckigen Torjägers in der laufenden Saison – und er beförderte Werder auf Rang zwei in der Tabelle, weil die Bremer in den zurückliegenden Wochen eben nicht nur eine wackelnde Defensive ihr Eigen nannten, sondern mit nun 28 Treffern auch einen emsigen Sturm.

Das hat mittlerweile sogar dazu geführt, dass sie die Ziele an der Weser etwas nach oben hin verschoben haben, frei nach dem Motto: Es kann nicht nur Zufall sein, wenn eine Mannschaft auch nach 14 Spieltagen so weit oben steht. „Bayern und Dortmund sind schon noch eine andere Größe“, stellte Sportdirektor Klaus Allofs zwar fest, „aber mit den Mannschaften danach können wir uns messen.“ Das scheint beim Blick auf Stuttgart, Schalke und eben auch Hertha tatsächlich der Fall. Dass Werder dabei kaum die Aura einer Spitzenmannschaft verbreitet, spricht nicht unbedingt für die Bundesliga. Auch der Sieg am Samstag kam eher durch Solidität denn durch Brillanz zustande; selbst der Franzose Johan Micoud, maßgeblich für den Bremer Aufschwung verantwortlich, hielt sich, was spielerischen Glanz angeht, diesmal vornehm zurück.

So war die Stärke der Gäste vor allem die Schwäche der Gastgeber. „Kein Biss, keine Aggressivität“, grantelte Hertha-Coach Huub Stevens, dafür Fehlpässe am Fließband, in der zweiten Halbzeit habe seine Mannschaft gar „taktisch so schlecht gespielt, wie ich es von Hertha noch nicht gesehen habe“. Spielerisch sah es nicht besser aus, weil Marcelinho und Alex Alves ihren Samba diesmal mit Holzschuhen an den Füßen zu tanzen schienen – und der große Rest, vor allem das Mittelfeld mit Hartmann, Schmidt und Marx, eben doch eher der Gattung Ackerer und Rackerer zuzurechnen ist. „Wir sind keine Spitzenmannschaft“, hatte Stevens vor drei Wochen festgestellt – und damit für einiges Entsetzen in der Hauptstadt gesorgt; Bremen nun bewies, dass sich der Trainer nicht geirrt hatte.

Das ist umso bitterer, als sie am Montag, bei ihrer Generalversammlung, doch noch den Aufbruch in eine neue, noch rosigere Zukunft ausgerufen hatten. „Hertha ist nicht aufzuhalten“, hatte Manager Dieter Hoeneß, euphorisiert durch den zu verkündenden Rekordumsatz von 60 Millionen Euro und den nicht ganz glanzlosen 1:0-Sieg kurz zuvor in Hannover, dem Vereinsvolk da noch mitgeteilt. Am Samstag war die Vision vom Höhenflug auch schon wieder zerstört. „Wir haben eine Riesenchance verpasst, uns richtig da vorne festzusetzen“, stellte Nationalverteidiger Marko Rehmer folgerichtig fest, was durchaus nicht zum ersten Mal geschehen ist bei Hertha – und Hoeneß „stinkesauer“ machte. „Wir müssen gewinnen wollen. Wir müssen vorne stehen wollen“, schimpfte der Manager. Am Samstag war das nicht der Fall.

Hertha: Kiraly - Friedrich, Rehmer (51. Tretschok), Nene - Marx (69. Karwan), Schmidt, Goor, Hartmann (54. Beinlich) - Marcelinho - Alves, PreetzWerder: Borel - Baumann, Verlaat (86. Skripnik), Krstajic - Stalteri, Ernst, Lisztes, Magnin - Micoud - Ailton (80. Reich), Daun (74. Borowski)Zusch.: 40.166; Tor: 0:1 Ailton (10.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen