Zünftiger Rückmarsch in die Totalopposition

Stoiber und Merkel wollen Rot-Grün verjagen. Doch mit reiner Anti-Haltung lässt sich nicht mal die CSU begeistern

MÜNCHEN taz ■ Gegen die Europäische Kommission. Gegen die Türkei. Gegen Zuwanderung. Gegen Schwule. Gegen Linke. Gegen vermeintliche Wahlbetrüger. Gegen Fischköppe, NRWler, Niedersachsen und Ossis. Gegen zu viele Ganztagsschulen. Und natürlich gegen alle, die den Bürgern mit Steuern das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Die CSU ist dagegen, dagegen, dagegen. Das hat sie auf ihrem Parteitag in München mit einem 20-seitigen Leitantrag und mit vielen markigen Sprüchen deutlich gemacht.

„Vor dem 22. September herrschte in Deutschland die ruhige Hand, seitdem regiert das blanke Chaos“, höhnte Generalsekretär Thomas Goppel, bevor er noch mal die Wähler von Rot-Grün mit Nazi-Wählern und die Situation im Herbst 2002 mit der des Herbstes 1932 verglich. Edmund Stoiber forderte Gerhard Schröder zum Rücktritt auf und nannte ihn „eine lächerliche Nummer eins in der Hitparade – als Wahlbetrüger und Steuererhöher“. Die schlingernde Regierungskoalition bot überreichlich Angriffsfläche, und auch das ausgezeichnete Ergebnis der CSU bei der Bundestagswahl mit über 58 Prozent in Bayern sollte noch einmal bejubelt werden.

Es hätte ein Parteitag ganz nach dem Geschmack von Edmund Stoiber werden können. Doch der Funke wollte einfach nicht überspringen. Merkwürdig reserviert blieben die CSU-Delegierten während der gesamten zweitägigen Veranstaltung im Kongresszentrum der Münchner Messe. Wenn sie überhaupt zuhörten, denn oft war der große Saal nur zur Hälfte gefüllt, während vor der Tür Hähnchenflügel, Brezn und Freibier gereicht wurde. Das gute kulinarische Angebot aber war nicht schuld an der mangelnden Begeisterung. Eher lag es daran, dass sich die Spitzen der CSU, und auch die Abgesandten der CDU, Angela Merkel und der baden-württembergische Regierungschef Erwin Teufel, weigerten, zu sagen, wofür sie eigentlich sind.

Wenn Stoiber in seinen Reden immer wieder betont, dass mit ihm als Kanzler nach der Wahl alles anders und besser wäre, ohne auszuführen, wie er das denn schon finanziell hätte bewerkstelligen wollen, dann klingt das beinahe wie ein trotziges Kind, das einfach nicht verlieren kann. Das spüren auch die Delegierten, und selbst der traditionell CSU-nahe Münchner Merkur wies am Wochenende darauf hin, dass die Unionsparteien ihre Entwürfe zur Steuer- und Sozialpolitik angesichts der Haushaltslage kaum hätten realisieren können.

Aber statt sich mit lästigen Sachthemen zu befassen, tönt man vor und hinter den Kulissen lieber davon, Rot-Grün „aus dem Amt zu jagen“. Alle Mittel sind dazu recht, sei es der erneut geforderte Untersuchungsausschuss wegen Wahlbetrugs, seien es die von Generalsekretär Goppel beschworenen Massendemonstrationen.

Die Ausrichtung der CSU in den kommenden Wochen und Monaten fasste Stoiber so zusammen: „Wir brauchen keine Strategiediskussion, wir brauchen eine bessere Vermittlung unserer Werte.“ Und die heißen Heimat und Familie. Was die CSU ablehnt, das hat Goppel mit seinen Äußerungen über Homosexuelle ebenso klar gemacht wie Stoiber mit der Ablehnung einer Aufnahme der Türkei in die EU aus kulturellen Gründen. Für diese Forderung gab es von den Delegierten anhaltenden Applaus. JÖRG SCHALLENBERG