Das amerikanische Weilheim

In der Provinz ist die Kreativität am größten: Die viel umjubelten, aus Omaha, Nebraska, stammenden Indiefolkbands Bright Eyes, The Good Life und Azure Ray spielen im Maria

Omaha, die Hauptstadt Nebraskas, ist ein bisschen wie Weilheim in Bayern: In einem Provinzkaff wächst eine Generation von jungen Indie-Musikern heran, die alle irgendwie befreundet, verwandt oder verschwägert sind. So ist beispielsweise Todd Baechle, Sänger der viel bejubelten Düster-Synthie-Band The Faint, der Bruder des Drummers Clark Baechle. Beide Baechles sind auch bei Bright Eyes aktiv, einer nicht weniger viel umjubelten Band aus Omaha. Todd Baechles Freundin wiederum spielt unter anderem bei Azure Ray, mit denen Bright Eyes nun auf ihrer Europa-Tour unterwegs sind. Alle Platten aus der Omaha-Szene werden beim Label Saddle Creek veröffentlicht, zu dem selbstverständlich die freundschaftlichsten Beziehungen bestehen. Denn, genau, die Schwester des Label-Chefs spielt bei …

Zum Glück gibt es zu all diesem komplizierten freundschaftlich-familiären Beziehungsgewirr eine Schlüsselfigur. Conor Oberst heißt der Mann, der mit gerade 22 Jahren als der Gründer und Kopf dieser ganzen Gitarren- und Neo-Folk-Bewegung gilt. Bei dem Jungen mit dem ernsten Blick unter dunklen Stirnfransen laufen die Fäden zusammen. Er war Gründer der verblichenen Folk-Band Commander Venus, mit der in Omaha alles begann, er spielt in der Noisecombo Desaparecidos, und er rief die Bright Eyes ins Leben.

Conor Oberst, der von der amerikanischen Musikpresse gerne mal als der „neue Bob Dylan“ gepriesen wird, verfügt über Unmengen von kreativer Energie. Und bei den Bright Eyes schafft er es immer wieder, sie zu bündeln. Oberst ist Chef und einziges festes Mitglied dieses losen Musikerkollektivs. Vor kurzem ist das nunmehr fünfte Bright-Eyes-Album „Lifted Or The Story Is In The Soil Keep Your Ear On The Ground“ erschienen. Ein Album, auf der sich über 73 Minuten die Textmassen aus seiner Feder Bahn brechen, auf der Mundharmonika, Streicher und Trompeten mit Straßengeräuschen und Stimmengewirr alternieren. Über den furiosen Klangteppich, den seine musikalischen MitstreiterInnen erzeugen, breitet Conor Oberst den schwarzen Mantel seines persönlichen Universums. Er erzählt Geschichten von Leid und Schmerz, von Liebe, der Bedrohung durch Krieg, von Suff und der Politik des George W. Bush. Oberst ist Erzähler, Sänger und Entertainer zugleich. Er knüpft bewusst in Instrumentierung und Gestus an amerikanische Folk-Größen wie Bob Dylan, Neil Young, Joni Mitchell oder Paul Simon an. Doch anstatt knietief in diesem Referenzgeflecht einzusinken, schafft er es kraft seiner Persönlichkeit, sich daraus als neue Stimme zu erheben. So breakt er die Mundharmonika durch einen schrägen Trompetenton oder bricht in der Mitte des Anti-Bush-Protestsongs „Day is Gonna Come“ in einen Schrei aus, der einer Metal-Band alle Ehre machen würde. Die Bright Eyes sind genug nowtro, um nicht in gestrigen Singer-Songwriter-Klischees zu erstarren.

NINA APIN

Bright Eyes, Azure Ray und The Good Life spielen heute Abend ab 21 Uhr, Maria am Ufer, Schillingbrücke, Friedrichshain