Telefonierfreiheit im Käfig

Die Grünen und der „Arbeitskreis Abschiebungshaft“ kritisieren Versäumnisse im Umgang mit den Abschiebehäftlingen. Innenstaatssekretär zu Zugeständnissen bereit, wenn es nichts kostet

von PLUTONIA PLARRE

Am schärfsten formulierte es der flüchtlingspolitische Sprecher der Grünen, Volker Ratzmann: Trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Abgeordnetenhauses habe sich im Berliner Abschiebegewahrsam „atmosphärisch“ überhaupt nichts verändert: „Innengitter, Trennscheiben und furchtbare Käfige auf dem Hof, in denen die Menschen ihre Freizeit“ verbrächten, bestimmten nach wie vor das Bild. Der Abschiebeknast Grünau, so Ratzmanns Fazit, „atmet aus jeder Pore, dass er eine reine Verwahranstalt ist“. Von einem rot-roten Senat, der sich eine humanitäre Flüchtlingspolitik auf die Fahnen geschrieben habe, habe er etwas anderes erwartet.

Ein gutes Jahr nach dem das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, PDS und Grünen eine Verbesserung der Situation in der Abschiebehaft beschlossen hatte, stand das Thema gestern im parlamentarischen Innenausschuss auf der Tagesordnung. Nicht nur die Grünen, auch der aus Wohlfahrtsverbänden, Kirchenvertretern, Rechtsanwälten und Flüchtlingsgruppen bestehende Aktionskreis Abschiebungshaft ist der Meinung, dass der Beschluss „bisher nur unzureichend“ umgesetzt worden sei. Das sei auch der Grund, warum sich das Bündnis gebildet habe, sagte die Sprecherin des Arbeitskreises, Corinna Sandersfeld: Atmosphärisch habe sich zwar einiges dadurch verbessert, dass nun das Telefonieren mit Handy erlaubt sei. Ansonsten „haben wir aber relativ wenig Handlung gespürt“.

Auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der PDS, Karin Hopfmann, ging mit der eigenen Regierung ins Gericht, was den Umgang mit Abschiebehäftlingen angeht: Von dem 14-Punkte-Beschluss des Abgeordnetenhauses könnten ganze vier Punkte als erledigt abgehakt werden. Zwei bis drei seien zur Hälfte umgesetzt, hinter sieben stehe jedoch ein großes Fragezeichen. „Ich weiß die Verbesserungen zu würdigen“, so Hopfmann, „aber es gibt noch einiges zu tun.“

Innenstaatssekretär Lutz Diwell (SPD), der den erkrankten Innensenator vertrat, bat um Verständnis dafür, dass der Beschluss bisher nur in Teilen umgesetzt worden sei. Vollzug vermeldete er, was die Ausstattung des Abschiebeknasts mit beweglichen Möbeln, Spiel- und Lesematerial betrifft. Auch eine dritte Sozialarbeiterstelle könne demnächst besetzt werden. Zum Entfernen der viel beklagten Innengitter an den Fenstern fehle aufgrund der Haushaltsmisere jedoch das Geld. Die Maßnahme, die an den Einbau von Sicherheitsglas und den Umbau der Heizung gekoppelt sei, so Diwell, würde mit 400.000 Euro zu Buche schlagen. Geld- und Raummangel seien auch der Grund, warum es für die Häftlinge keine Arbeitsmöglichkeiten gebe. Besuche ohne Trennscheibe würden einem Teil der Häftlinge inzwischen jedoch ermöglicht, so Diwell. Der Arbeitskreis spricht dagegen von Einzelfällen. Innenverwaltung und Polizei seien bereit, „zu verändern, was kein Geld kostet“, forderte Diwell den Arbeitskreis auf, Vorschläge zu unterbreiten. „Gehen Sie davon aus, dass Sie nicht vor einer riesigen Betonwand stehen.“

Das Parlament hatte den Senat auch beauftragt, „Abschiebungshaft zu vermeiden“. Der Arbeitskreis monierte gestern unter anderem, dass bis heute nicht gundsätzlich auf die Inhaftierung von unter 16-Jährigen, sowie Schwangeren und allein erziehenden Müttern und Vätern von Kindern unter 14 Jahren verzichtet werde. Gefordert wurde auch eine Erhebung über Langzeithäftlinge, die monatelang hinter Gittern darauf warten, dass ihre Botschaft Pässe für sie beschafft. Etliche Ausgaben könnten gespart werden, wenn Betroffene während dieser Zeit nicht generell einsperrt würden.