arabiata: irak muss nicht gebeugt werden!
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Der Anruf ereilte den für den Irak zuständigen Hörfunkkorrespondenten etwas überraschend. Es war kurz vor der Landung des Vorausteams der UNO-Waffeninspektoren in Bagdad. Die Anruferin enttarnte sich als Kollegin, die selbst etwas über das Berichtsgebiet des Korrespondenten erfahren hatte. Nämlich von ihrem Nachrichtenbüro. Das habe ihr mitgeteilt, dass der Irak „nicht gebeugt werden“ dürfe. Der Radiomann stutzte kurz. Dann fragte er zögernd: „Wie meinen Sie das? Kulturell? Wirtschaftlich? Politisch?“ – „Nein“, repetierte die etwas schulmeisterliche, aber ansonsten sympathische Stimme, „ich meine das rein grammatisch. Wenn Sie Ihre Texte vorlesen und dabei den Irak in den Genitiv setzen, dann sagen Sie immer ‚des Iraks‘ und wir müssen Ihnen mühsam Ihre ‚s‘-se abschneiden. Der Kollege von den Nachrichten aber sagte mir, dass die ‚s‘-se gar nicht sein dürfen; der Irak werde nicht gebeugt.“

Der Korrespondent verlieh seiner Verwunderung heftigsten Ausdruck und scheute nicht einmal davor zurück, zu einem verwegenen Vergleich zu greifen: Den Euphrat breche man doch auch, sobald man ihn in den Genitiv setze – und der Euphrat sei immerhin ein Fluss, der rein physisch schon gar nicht zu beugen ist. „Warum“, fragte er weiter, „warum sollte ich da nicht ein Land beugen können, das vom Euphrat durchflossen wird.“

Dann beruhigte der Mann sich. Mit deutlich beherrschterer Stimme fragte er: „Meine Liebe! Haben Sie denn schon mal in den Duden geschaut?“ Die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung verneinte mit dem Hinweis auf die überaus studierte Kompetenz ihres Nachrichtendienstes. „Pah“, entfleuchte es da dem Korrespondenten, „in Sachen Irak ist Vertrauen gut, aber Kontrolle besser!“

Im Nachschlagwerk fand er denn auch den Irak ganz und gar gebeugt – im grammatischen Sinne. Der Mann musste allerdings einräumen, dass sein Duden aus dem Jahr 1989 stammte. Und seitdem habe sich ja einiges in punkto Irak verändert. 1990 – der Einmarsch der Truppen Saddam Husseins in Kuwait. Dann: der Golfkrieg. Und: zwölf Jahre UNO-Embargo …

All das spräche zwar dafür, dass die Weltgemeinschaft den Irak tatsächlich beugen wollte. Aber möglicherweise, so der Korrespondent, habe es in der Duden-Redaktion eine Umorientierung gegeben – im Sinne von Bundeskanzler Schröder: „Kein Krieg gegen Irak“ gleich: „Kein gebeugter Irak! Kein ‚-s‘ für Blut. Also kein ‚s‘ am Genitiv vom Irak?

Aber nein, weit gefehlt. Der Irak wird, sobald er in den Genitiv gesetzt wird, in Deutschland nach wie vor mit einem ‚-s‘ versehen. Das schreibt auch der aktuelle Duden, wie schließlich selbst jene Kollegin einräumen musste, die den Hörfunkkorrespondenten angeklingelt hatte.

Nun müssen wir abwarten, ob die Beugung des Irak auf die Grammatik und das Genitiv-S beschränkt bleibt. Eines spräche auf jeden Fall dafür: Ein Auftritt von des Kanzlers Lieblingsradauer „Die Scorpions“ wäre zu verhindern – und damit ein neuer Hit: „Wind of grämäticäl Tschänsch“!