: Dortmund. Draußen. Diverses
November-Tagebuch (Mittwoch): Invasion der Alienvernichter
Alienvernichtungstruppen sind gelandet. Ausgerechnet hier bei mir um die Ecke. Sie tragen diese aus Filmen mit Alienvernichtungstruppen bekannten Weltraumrucksäcke. Darin ist das Antriebsaggregat, das man braucht, wenn man mal schnell woanders hinfliegen will. Also zum Beispiel vom Mutterschiff rüber zum Shuttle, mit dem man dann wiederum auf dem verlassenen Planeten landet, um dort Alienplasma zu terminieren. Jetzt brüllt einer dieser Special-Forces-Typen einen Kameraden an. „Gütiger Gott“, schreit er und „Ekelhafte Biester – wir werden ihnen verflucht noch mal die verdammten Eier zerquetschen!“
Mit „Eier“ meint er bestimmt nicht männliche Geschlechtsorgane. Das ergäbe auch gar keinen Sinn bei Aliens. Alien-Befruchtung geht ja anders. Wie sie genau geht, weiß ich auch nicht, aber zum Schluss gibt es immer diese riesige Alien-Königin, die wie die Chefin eines Bienenstocks in einer triefenden Riesenwabe klebt und im Gegensatz zum Insekt mit einer kosmischen Gebärmutter ausgerüstet ist. Aus der fallen in atemberaubender Geschwindigkeit Eier raus und aus denen kriechen dann die Jungen. Diese Eier also müssen gemeint sein, wenn ich den Typen richtig verstanden habe. Das ist schwierig, weil er in einer mir unverständlichen Sprache rumbrüllt. Klingt ziemlich slawisch. Fast so wie Russisch. Komisch. Ich gäb jetzt weiß Gott was darum, wenn Sigourney Weaver als Sergeant Ripley um die Ecke käme. Die ist wenigstens immer ordentlich synchronisiert. Bei dem Typen hier muss ich mir alles selbst zusammenreimen. Er ist ja noch nicht mal untertitelt.
Er und zwei seiner Kumpels sammeln sich jetzt auf der großen Wiese gegenüber meiner Bude, an der ich immer die Zigaretten und die Zeitungen hole. Aha, da muss sie also irgendwo sitzen, die verdammte Königin. Wer hätte das gedacht. Mitten in Dortmund, Innenstadt Ost, Hundekackwiese am Rande des Westfalendamms. Aber gut, man kann es sich nicht aussuchen. Wahrscheinlich sind unter der Wiese alte Bergbaustollen, in denen sich die Viecher eingenistet haben. Die Typen brüllen wie am Spieß. „Verdammt, hier müssen sie irgendwo sein!“ „Es sind unglaublich viele!“ „Sie sitzen überall!“ „Ten seconds – look sharp!“ „Wir müssen den Präsidenten anrufen! Er soll thermonukleare Waffen schicken!“ „Vergiss den verdammten Präsidenten! Er steckt mit ihnen unter einer Decke!“ Faszinierend. George W. Bush schickt Russisch sprechende Special Forces zum Alienterminieren nach Dortmund. Ich muss den ganzen Mist ins Deutsche übersetzen und dann stellt sich auch noch raus, dass der debile Texaner gemeinsame Sache mit den Aliens macht. Irgendwie läuft mir die Sache aus dem Ruder. Wenn jetzt nicht bald Will Smith in seinem schwarzen Anzug um die Ecke kommt und mir seinen Gedächtnis-Auslösch-Blitz vor die Augen hält, geh ich direkt die paar Meter zum Landeskrankenhaus nach Dortmund-Aplerbeck und lasse mich vom diensthabenden Neurologen in Kälteschlaf versetzen.
Die Alienvernichter werfen ihre Aggregate an. Ohrenbetäubender Lärm. Oh – verdammt, das sind gar keine Flugapparate. Es sind wahrscheinlich Flammenwerfer. Rauchwolken steigen auf. Sie stinken nach verbranntem Diesel. Gott im Himmel – hol mich hier raus! Es geht zu Ende! Die russischen Leiharbeiter brauchen ungefähr zehn Minuten, um mit ihren tragbaren Gebläsemaschinen das ganze Herbstlaub von der Wiese zu räumen. Dann machen sie Zigarettenpause. Ich auch.
Etwas später zu Hause. Die Zeitungen berichten, dass Möllemann weiter zu den Vorwürfen schweigt. Noch mal gut gegangen. FRITZ ECKENGA
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