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: Defensivstarkes Dallas strebt NBA-Startrekord an

Die Mavericks in der Zone

Es klang nach puren Lippenbekenntnissen, als die Spieler der Dallas Mavericks vor Beginn der NBA-Saison ständig betonten, wie viel Wert sie künftig auf die Defense legen würden. Ja, ja, dachte man, brav nachbeten, was die Trainer den ganzen Sommer gepredigt hatten, aber kaum auf dem Platz, rennen die Nashs. Nowitzkis und Finleys wieder nach vorn mit Gebrüll und punkten, dass die Sau bellt. Wer 130 Punkte macht, gewinnt schließlich auch ohne Abwehr.

Mittlerweile haben die Mavericks 13 Spiele absolviert und die Liga staunt. Nicht nur darüber, dass die Texaner alle Partien gewonnen haben, mit weiteren Siegen heute in Detroit, morgen in Indiana den Startrekord der Houston Rockets von 1993 und Washington Capitols von 1948 einstellen und am Samstag daheim gegen Chicago sogar brechen können. Die Verwunderung gilt vor allem dem Mittel, das diese imposante Serie ermöglichte. Die 103,9 eigenen Punkte im Schnitt, mit denen Dallas die Liga anführt, finden ihr Pendant bei den zugelassenen Punkten, wo die Mavericks mit nur 89,1 plötzlich ebenfalls zu den Besten gehören. Und wurden sie letzte Saison noch zu Vorreitern eines attraktiven Offensiv-Basketballs hochgejubelt, gelten sie der Dallas Morning News inzwischen als Protagonisten eines neuen Defensivtrends.

Der besteht hauptsächlich in einer Strategie, die bis vor einem Jahr noch verboten war in der NBA: Zonenverteidigung. Diese wird zwar seit langem auch im College-Basketball praktiziert, ist in den USA jedoch als ziemlich feige Variante verpönt. „Sie haben sich 48 Minuten lang in ihrer Zone verkrochen“, höhnte Steve Francis nach der Niederlage seiner Houston Rockets, „sie wissen halt, dass sie sich mit uns nicht direkt anlegen sollten.“

Nachdem die Abwehrvariante in der NBA erlaubt worden war, um die undurchsichtigen Illegal-Defense-Entscheidungen bei vorgeschriebener Manndeckung loszuwerden, wurde sie nur zögerlich verwendet. Das könnte anders werden. „Keine Mannschaft spielt sie so ausgiebig wie Dallas“, sagt Seattles Coach Nate McMillan, „aber ich denke, die anderen Teams werden sie nun verstärkt benutzen.“ Das glaubt auch Del Harris, Defensivtrainer der Mavericks: „Was bei den Besten funktioniert, sickert in der Regel nach unten durch.“

Dallas-Chefcoach Don Nelson, der sein Leben lang nur in der NBA arbeitete, ließ sich das unbekannte Abwehrsystem bei einem Seminar erklären und war sofort angetan. „Es macht Spaß, etwas Neues zu lernen“, sagt der Trainerveteran, der in der Wahl seiner Mittel ohnehin nicht zimperlich ist. Schließlich erfand Nelson auch das jämmerliche Hack-a-Shaq, die Taktik, den übermächtigen Lakers-Center Shaquille O’Neal bei jedem Ballbesitz zu foulen, weil er so ein schlechter Freiwerfer ist.

Andere Coaches sind mehr auf Attraktivität bedacht. „Die NBA war immer eine Liga, in der sich die Talente der Spieler entfalten konnten“, klagt Nate McMillan, „die Zonenverteidigung macht damit Schluss.“ Auch die Spieler selbst sind nicht restlos glücklich. Als Dallas gegen Memphis mit Zone eine 21-Punkte-Führung herausgespielt hatte, verlangten die Profis, auf Mann gegen Mann umzustellen. „Eine Macho-Geschichte“, meint Nelson. Dumm nur, dass Memphis danach noch auf vier Punkte herankam.

MATTI LIESKE