„Das Hartz-Konzept wurde nicht verwässert“

Kommissionsmitglied Günther Schmid widerspricht Peter Hartz: Tariflöhne für Leiharbeiter waren bereits vorgesehen

taz: Herr Schmid, laut Ihrem Kommissionsleiter Peter Hartz ist das Konzept für die Modernisierung des Arbeitsmarktes mittlerweile hoffnungslos verwässert. Leiharbeiter etwa sollten 30 Prozent unter Tarif bezahlt werden und nicht zu Tariflöhnen, wie das Gesetz vorsieht. Sehen Sie das auch so?

Günther Schmid: Ich sehe keine dramatische Verwässerung, weil ja noch Tarifverhandlungen stattfinden. Und genau das war auch vorgesehen: eine Tarifbindung der Zeitarbeitslöhne, über die verhandelt wird. Rein formal ist Hartz also korrekt umgesetzt. Die 30 Prozent waren als Beispielrechnung gedacht, nicht als feste Vorgabe. Es kommt nun ganz darauf an, ob die Gewerkschaften ihr Versprechen einhalten, flexibel zu reagieren: Schwer Vermittelbare etwa müssen nicht nur während der im Gesetz vorgeschriebenen sechs Wochen geringere Löhne erhalten. Sie brauchen eine längere Phase zum Einfädeln in den Betrieb.

Glauben Sie wirklich, dass die Gewerkschaften niedrigere Löhne akzeptieren, obwohl das Gesetz bereits eine Gleichbehandlung vorschreibt?

Da muss ich tief durchatmen. Letztendlich bin ich Optimist. Die Gewerkschaften müssten die Chance sehen, bei modernen Arbeitsverhältnissen mit an vorderster Front zu stehen. Wenn sie die Leiharbeiter auch als ihre Klientel betrachten, und das sollten sie tun, dann müssten sie sich auf realistische Verträge einlassen. Gleichbehandlung bedeutet auch: ungleiche wirtschaftliche und soziale Voraussetzungen angemessen zu berücksichtigen. Ich möchte in das allgemeine Gejammer nicht vorzeitig einstimmen.

Die Arbeitsämter haben jetzt schon viele Subventionsmöglichkeiten für schwer Vermittelbare. Das heißt: Die Firma zahlt ein Minimum an Lohn, das Arbeitsamt den Rest. Warum muss man zusätzlich noch die Löhne senken?

Weil die Subvention ein schlechtes Mittel ist. Denn es besteht die Gefahr, dass jede Eingliederung nur noch mit Subventionen erfolgt. Diese Tendenz gibt es heute schon. Dem möchten wir einen Riegel vorschieben.

Das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung befürchtet, dass genau dies trotzdem eintreten wird: Weil die Arbeitsämter ihre Leiharbeiter durch Zuschüsse subventionieren, werden die eher zu billig und verdrängen die Normalarbeiter.

Das ist übertrieben: Die Personal Service Agenturen für Leiharbeiter sind Erfolgskontrollen unterworfen: Sie bekommen ein festes Budget vom Arbeitsamt und werden nach den gängigen Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien kontrolliert. Eine massenweise Subvention können die sich deshalb nicht leisten.

Insgesamt halten Sie das Hartz-Konzept aber auch mit Tariflöhnen für umgesetzt?

Die Gleichstellung für Leiharbeiter und Stammbelegschaft sowohl bei den Arbeitsbedingungen als auch bei den Löhnen sollte aufrechterhalten werden. Das ist schlicht in anderen Ländern üblich und stimmt mit der entsprechenden EU-Richtlinie, die gerade verhandelt wird, überein. Wie man es konkret ausgestaltet, müssen nun die Sozialpartner aushandeln.

Die Unternehmerverbände sprechen von „Tarifdiktat“. Was hindert eine Leiharbeitsfirma, die diese Löhne nicht zahlen will, daran, auf PSA-Arbeiter zu verzichten, dem Tarifvertrag fernzubleiben und so weiter zu machen wie bisher?

Nichts hindert sie daran. Auf die Menschen vom Arbeitsamt war man bislang auch nicht scharf.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH