Die Parodie stirbt nie

Vom Vollbart gepiesackt: Lee Tamahori hat mit „Stirb an einem anderen Tag“ den 20. Bond-Film gedreht

Ohne etwas preiszugeben, kann man sagen, dass auch in diesem Bond-Film, dem mittlerweile 20. in 40 Jahren, die Welt wieder in Gefahr ist. Ein überspannter Bösewicht, genauer gesagt, ein an Schlaflosigkeit leidender Koreaner, der überraschenderweise wie ein Ire aussieht und in Island Handel mit afrikanischen Diamenten treibt, will nämlich mit Hilfe eines an einem Supersatelliten befestigten Superlasers Nordkorea von beschämenden Landminen befreien, um die Klimakatastrophe herbeizuführen, die ihm anschließend die Weltherrschaft erbringen soll. Wie seine Vorgänger vertraut auch dieser Bösewicht auf moderne, aber unausgereifte Technik, die wie üblich bei dem obligatorisch umständlichen Show-down aus unerklärlichen Gründen versagt.

Man kann sagen: Die Bond-Reihe beweist nach wie vor Konsistenz. Andererseits bleibt es schwer zu entscheiden, ob die ewige Variation des Immergleichen ein Vorteil ist oder möglicherweise ein Problem. Offenbar war selbst Regisseur Lee Tamahori („Once Were Warriors“) sich darüber nicht im Klaren und versuchte beides. „Stirb an einem anderen Tag“ steht daher für das durchaus anspruchsvolle Projekt der Weiterentwicklung bei gleichzeitigem Stillstand. So wird der dienstälteste Spion der Filmgeschichte gleich zu Beginn umstandslos demontiert. Er wird eingekerkert, gepiesackt und durch den monatelangen Entzug von Rasierzeug schwer gedemütigt. Er wird von seinem stilbewussten und daher auch vollbartfeindlichen Arbeitgeber in Gestalt von M (Dame Judi Dench) seiner Pflichten enthoben. Er wird also in jeder Hinsicht in Frage gestellt, um anschließend wieder aufgebaut zu werden, noch heldenhafter, wunderbarer und unvermeidbarer als zuvor.

Doch zum Unvermeidbaren zählt dieser Tage, da Bond-Film-Parodien wie „Austin Powers“ oder „Triple X“ sich großer Beliebtheit erfreuen, das gewisse Quäntchen Ironie, die sich hier in ihrer speziellen Form der Selbstironie präsentiert. Sie äußert sich in betont debilen Dialogen, Handlungssprüngen und lässigen Verweisen, die allerdings in den einschlägigen Parodien bereits weitaus debiler und lässiger zu bestaunen waren, sodass es streckenweise aussieht, als sei das Original die recht behäbige Parodie der Parodie. Die Folge ist, dass Bonds Flutwellen-Surfen durchs ewige Eis nur halb so frisch wirkt wie das Lawinen-Snowboarding in „Triple X“. So sehr sich Lee Tamahori einerseits um Witz bemüht, so inszeniert er andererseits selbst die dümmsten Drehbucheinfälle mit bitterem Ernst.

Der mit Hovercrafts und Artillerie geführte Minikrieg zu Filmbeginn scheint zu realistisch, während das erwähnte Flutwellen-Surfen aufgrund miserabler Tricktechnik unfreiwillig albern ist. Der gesamte Film schwankt gefährlich zwischen halbherzigem Unfug, angetäuschter Schwere, Stillstand und Innovation. Das drückt sich nicht zuletzt in der Zusammenstellung der Gadgets aus, die Q (John Cleese) Bond in einer zugegeben amüsanten Szene überreicht. Ein Ring, der Panzerglas zerstören kann, sowie eine neue Uhr sind dabei eher traditioneller Natur, während der aufgrund einer absolut neuartigen Technik unsichtbare Aston Martin (das wahrscheinlich idiotischste Product Placement der Filmgeschichte) unakzeptabel über das Ziel hinausschießt. Und es ist selten ein günstiges Zeichen, wenn man sich während eines Actionfilms vor allem daran stört, dass er unrealistisch ist. Denn obwohl beinah alle Actionfilme zutiefst unrealistisch sind, erkennt man die guten gerade daran, dass all die offensichtlichen Ungereimtheiten entweder völlig plausibel erscheinen oder nicht weiter unangenehm auffallen.

Angenehm fallen dieses Mal hingegen die Bond-Girls auf. Rosamund Pike spielt die frostige Miranda Frost angenehm frostig, während komplementär dazu Halle Berry ihre Agentin Jinx warmherzig gibt. Beide erliegen vorübergehend Bonds Charme, wobei Bond sich besonders für Jinx interessiert, was vor allem daran liegen könnte, dass sie wie Ursula Andress vor vierzig Jahren als Honey Rider in „Dr. No“ im Bikini aus den Fluten steigt. Doch offenbar erinnert er sich nur schwach. Er ist in 20 Folgen in die Jahre gekommen.

HARALD PETERS

„Stirb an einem anderen Tag“. Regie: Lee Tamahori. Mit Pierce Brosnan, Halle Berry u. a., USA 2002, 134 Min.