pampuchs tagebuch
: Die Angst der Götter in Weiß

Dies ist einer jener seltenen Texte, die mit der Hand geschrieben worden sind. Er ist entstanden in einer der letzten internetlosen Zonen Deutschlands, nämlich der kardiologischen Abteilung des Schwabinger Krankenhauses, wo ich mich von einem Herzinfarkt erhole. Den Elefanten, der sich auf meiner Brust niedergelassen hatte, haben wir mit Hilfe von Katheter und „Stent“ vertrieben. Am Samstag komme ich raus – danke, wirklich, es geht mir wieder gut und ich freue mich auf die Reha in den bayrischen Bergen im Dezember.

 Aber natürlich muss sich ein Kolumnist auf der Intesivstation fragen: Warum ich? Warum jetzt? Und warum überhaupt? Ich komme von einer vergnügten Südamerikatour zurück in den deutschen November, und mein Herz zickt. Vorher hatte ich zwischen Lima und Cusco schon einen Gichtanfall, der mich drei Tage humpeln ließ. Was will mir die Krankheit sagen?

 Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben im Krankenhaus, und ich habe mich entschlossen, dies – Krankheit als Chance – als Abenteuer- und Studienreise zu sehen. Bisher habe ich mich nie sonderlich für Medizin interessiert und bin damit immer gut gefahren. Jetzt freilich muss ich es, und ich tue es – Schicksal als Weg – auch mit der erforderlichen Neugier. Das hat mir hier im Hause den Ruf eines Hektikers und Renitenzlers eingetragen. Vielleicht frage ich wirklich etwas zu viel, und meine „Mobilitätsstufe“ habe ich zugegebenermaßen auch ein paarmal übertreten.

 Aber ich habe meinem Arzt versprochen, dass ich diesen Artikel stressfrei schreibe. Darum jetzt in aller Ruhe zum Thema: Das Krankenhaus und das Internet. Sie haben es ja wirklich nicht leicht, die ÄrztInnen von heute: Nicht nur dass sie es immer wieder mit Langzeit-Medizin-Ignoranten wie mir zu tun bekommen, die ihnen Löcher in den Bauch fragen. Nein, noch schwerer sind die Götter in Weiß vom Internet bedroht – allerdings nur, wenn sie sich für solche halten. Mit ein bisschen Googeln kann heute jeder Laie schnell viel Informatives über sein Leid aus dem Netz fischen. Oder zumindest fischen lassen: Denn – vielleicht auch als Schutz für die Ärzte? – Krankenhäuser verfügen bisher noch nicht über Internetcafés. Ich habe mir aber von lieben Freunden einiges besorgen und ausdrucken lassen und kann in www.netdoktor.de oder www.uni-essen.de/cardio Handfestes über den Herzinfarkt nachlesen. Zum Beispiel, dass er auch etwas mit Gicht zu tun haben kann, was die Spezialisten vor Ort weit von sich weisen. www.mdr.de hat ein paar gute Seiten zur Gicht – wenn ich wollte, könnte ich mit Hilfe meiner befreundeten Surfer die Ärzte ständig in Diskussionen verwickeln. Will ich aber gar nicht. Ich will’s und kann's nur heute genauer wissen, als das vor zehn Jahren möglich war. Und ob die Betablocker, die sie mir hier verabreichen, impotent machen? So was will man ja doch genau wissen und recherchieren dürfen. Ein junger Stationsarzt zeigte sich immerhin netzkompatibel. Er hat mir gleich ein paar Adressen wie die American Heart Association empfohlen, wo solche Fragen diskutiert würden. Diese Amis. So wünsche ich mir den stationären Netzdoktor der Zukunft. Ein Satz wie „Das würde jetzt zu weit führen, Ihnen das zu erklären“, jedenfalls sollten sich die Ärzte nicht mehr erlauben. Denn Krankheit soll ja weiterführen. THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com