Schwarzer Peter für den Rat

EU-Kommission fordert „mehr Intelligenz“ bei der Auslegung des Stabilitätspakts

BRÜSSEL taz ■ EU-Finanzkommissar Pedro Solbes und sein Chef Romano Prodi traten gestern gemeinsam vor die Presse. Das mag nach den letzten Irritationen, als Prodi den Stabilitätspakt als „dumm“ bezeichnete, während Solbes ihn vehement verteidigte, bemerkenswert sein. In der Sache allerdings blieben die Widersprüche bestehen.

Die „Lissabonner Strategie“, also die Liberalisierung staatlicher Dienste und die Investition in Zukunftstechnologie, sei ebenso wichtig wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt, betonte Prodi. Den müsse man „intelligent einsetzen“. Das heißt: Einen Staat, der Schulden macht, um Arbeitsplätze zu schaffen, darf die Kommission nicht streng nach den Kriterien des Paktes beurteilen. Auch wenn er neue Kredite aufnimmt und die Gesamtschulden nicht um ein halbes Prozent jährlich abbaut, soll sie ein Auge zudrücken.

Das sieht der Finanzkommissar anders. Zwar will auch er künftig weniger streng auf Prozentzahlen bei der Verschuldung achten und mehr die Haushaltspolitik eines Mitgliedsstaates ins Visier nehmen. Er räumt auch ein, dass die Schwelle von drei Prozent Neuverschuldung, bei der das Mahnverfahren ausgelöst wird, ein willkürlich gesetzter Wert ist. Deshalb sollen Länder Schulden machen können, wenn sie mit dem Geld Steuern senken oder Strukturreformen durchführen. An der Dreiprozentschwelle soll aber dennoch nicht gerüttelt werden. Im Gegenteil: Solbes besteht darauf, dass die Staats- und Regierungschefs beim Frühjahrsgipfel unter griechischer Präsidentschaft den Stabilitäts- und Wachstumspakt feierlich bekräftigen.

Damit ist der schwarze Peter beim Rat. Solbes will nicht noch einmal die Blamage erleben, die ihm die Bundesregierung zu Jahresbeginn beschert hat. Sie sorgte dafür, dass der Finanzministerrat eine Frühwarnung der Kommission einkassierte, weil Deutschland den blauen Brief für imageschädlich hielt. Demnächst winkt eine ähnliche Szene mit den Franzosen, denen ebenfalls ein blauer Brief droht. Wenn aber die Staatschefs zuvor den Stabilitätspakt feierlich bestätigen, dürfte sie ihnen kaum gelingen. DANIELA WEINGÄRTNER