„Das Potenzial für Populisten ist da“

Der Politologe Hans Vorländer glaubt, dass eine neue Möllemann-Partei gute Wahlchancen hätte – vorausgesetzt, sie baut auf rechte Themen wie Law and Order oder Antisemitismus. Der FDP rät Vorländer, sich wieder klar als liberale Partei zu definieren

taz: Herr Vorländer, Jürgen Möllemann droht im Stern mit der Gründung einer eigenen Partei, falls die FDP ihn ausschließt. Könnte er damit Erfolg haben?

Hans Vorländer: Ja. Aber nicht mit einer zweiten liberalen Partei, wie er behauptet. Es müsste eine ganz andere Partei sein, die sich eindeutig rechtspopulistisch ausrichtet. Da besteht eine Marktlücke.

Und wie müssten die Kernforderungen lauten?

Die gibt es nicht. Rechtspopulisten haben kein langfristiges Programm. Sie reagieren ad hoc. Auch Möllemann ist ein Aktionspolitiker. Er würde sich als Volkstribun der schweigenen Mehrheit inszenieren, als Stimme des einfachen Mannes. Er setzt auf Effekte und Affekte.

Zum Beispiel?

Es gibt viele Ressentiments und Klischees, die sich nutzen ließen: antiamerikanische Stimmungsmache, Law-and-Order-Parolen, antisemitische Ausfälle, aber auch ein antikapitalistischer Kampf gegen die Großindustrie. Die klassischen Schill-Themen.

Darauf hofft auch die FDP. Ihr Schatzmeister Günter Rexrodt verweist nur zu gern auf das Scheitern der Schill-Partei.

Er sollte sich nicht zu früh freuen. Möllemann dürfte es zwar nicht schaffen, bereits zu den Landtagswahlen 2003 anzutreten. Aber danach hätte er eine gute Chance, die Fünfprozenthürde zu überspringen. Das vagabundierende Wählerpotenzial ist da.

Es vagabundiert aber auch wieder weg, wie Schill zeigt.

Doch erst mal wird es gefährlich. Übrigens auch für CDU und SPD. Sie verlieren Wähler aus dem Arbeitermilieu an die neuen Protestparteien.

Aber spätestens nach einer Wahlperiode scheinen doch alle rechtspopulistischen Parteien zusammenzubrechen?

Es stimmt zwar, dass sie bisher immer an ihren Mitgliedern gescheitert sind. Die wollen Politik verneinen, nicht gestalten. Die sitzen in den Parlamenten, freuen sich über ihre Diäten und zerfleischen sich ansonsten selbst. Aber darauf sollten sich die Liberalen nicht verlassen.

Was müsste die FDP also tun, falls Möllemann eine eigene Partei gründet?

Sich als liberale Partei wieder klar definieren. Man muss Westerwelle vorwerfen, dass er nicht entschieden genug eingegriffen hat. Und auch der Restvorstand hat sich zwar über Möllemanns antisemitische Ausflüge empört, aber sonst ist nichts passiert. Man wollte testen, ob sich rechte Wähler gewinnen lassen.

Kommt die FDP mit einem rein liberalen Programm über die Fünfprozenthürde?

Nicht sicher. Das ist das Schicksal kleiner Parteien.

Und was ist mit der grünen Konkurrenz?

In einer Koalition mit der SPD können sich die Grünen nur profilieren, wenn sie zur liberalen Reformpartei werden. Und es sieht so aus, als würden sie der FDP ein ureigenes Thema stehlen: die Generationengerechtigkeit, den Umbau der Sozialsysteme. Wenn das gelingt, dann haben sie alle Chancen. Und die FDP wird zerrieben zwischen den Grünen und den Rechtspopulisten.INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN