Schröder taucht auf – als Kanzler Eisenhart

Der Kanzler kündigt eine härtere Gangart an und will sich bei den sozialen Reformen mit allen und jedem anlegen

BERLIN taz ■ Tagelang war der Kanzler in der Öffentlichkeit kaum zu sehen, und wenn doch, dann war ein völlig veränderter Gerhard Schröder zu beobachten: müde, matt und mürrisch. Die heftig umstrittene Politik seiner rot-grünen Regierung verteidigte er so, wie ein Mann seine Ehefrau verteidigt, mit der er schon 35 Jahre lang zusammenlebt, die er aber nicht mehr richtig liebt: pflichtschuldig, mit ein bisschen schlechtem Gewissen. Zwei Tage vor der ersten entscheidenden Schlacht mit der Opposition im Bundesrat präsentiert sich jetzt ein völlig veränderter Kanzler: kämpferisch, aggressiv, verletzt. Vorerst tut das der ehemalige Medienkanzler nur in einem Interview mit der Zeit, aber immerhin. Dort kündigt er an, sich in der Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik mit allen Interessengruppen anzulegen. Jeder, der den Sozialstaat unter völlig veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen in der Substanz erhalten wolle, müsse auch Ansprüche zurücknehmen, so Schröder. „Und wenn das nicht freiwillig geschieht, muss die Regierung das erzwingen.“

Der Kanzler teilt in alle Richtungen aus. Die Kritik an der Umsetzung der Hartz-Vorschläge? Sei „überzeichnet“. Die Kritik der Union? Dahinter stecke ein „nie gekanntes Maß an sozialer Demagogie“. Der Tonfall der Opposition? Der sei nur darauf zurückzuführen, dass die Union die Wahl verloren habe. Jetzt bestehe ihre Strategie darin, seine „Integrität zu zerstören, und darin ist sie völlig bedenkenlos“.

Ein bisschen Selbstkritik gab’s von Schröder auch. Die rot-grünen Koalitionsgespräche? „Kann man besser machen.“ JENS KÖNIG