Familie Ensslin: Wir spenden unsere Gehirne

Angehörige von Gudrun Ensslin kommentieren das Verschwinden der RAF-Hirne mit einem „Dank an die Wissenschaft“

BERLIN taz ■ In ungewöhnlicher Form haben erstmals Hinterbliebene zum Verschwinden der Gehirne der Stammheim-Häftlinge Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin Stellung genommen. Ensslins Sohn Felix, ihre Schwester Christiane und ihr Bruder Gottfried schreiben in einer sarkastischen Erklärung in der taz, „dass auch wir bereit sind, unsere Gehirne zu Forschungszwecken bereitzustellen“. Ausdrücklich ermuntern sie Bundeskanzler Helmut Schmidt, Innenminister Otto Schily sowie die ehemaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts, ihrem Vorbild zu folgen.

„Wir hoffen, nein, wir sind sicher, dass wir in dieser Bereitschaft eine Haltung zum Ausdruck bringen, die von vielen geteilt wird“, heißt es in dem Text, „wenn wir darin nicht irren, kann sich die deutsche Forschung auf spannende Untersuchungen freuen.“

25 Jahre nach dem mutmaßlichen Selbstmord der drei RAF-Mitglieder musste das Universitätsklinikum Tübingen vorvergangene Woche einräumen, die Gehirne der obduzierten Leichen seien spurlos verschwunden. Zuletzt wurden die Organe, die ohne Wissen der Angehörigen aufbewahrt worden waren, 1988 im so genannten Hirnarchiv des Klinikums registriert. Damals ging der zuständige Chefpathologe in Ruhestand. Das Gehirn des RAF-Mitglieds Ulrike Meinhof, die sich 1976 erhängt hatte, tauchte vor kurzem im Klinikum Magdeburg auf.

PATRIK SCHWARZ

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