Keine Angst vorm Handwerk

50 Schülerinnen üben sich in „Männerberufen“. Die Traumjobs sind zwar andere, Einblicke in unbekannte Arbeitswelten aber dennoch interessant: Eindrücke vom „Spiel mit den Elementen“

von IMKE WIETERS

Frau muss sich beweisen. „Ein freches Mundwerk und Karatekenntnisse sind erforderlich, um sich als Metallarbeiterin durchzusetzen“ beschreibt Ja-el Jank, Metallkünstlerin und Anleiterin des Berufsfindungprojektes für Mädchen in der Altonaer „Motte“, ihre Erfahrungen in einem typischen „Männerberuf“.

Zwei Tage lang üben sich Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren in einem typischen Männerberuf. Bereits zum zehnten Mal läuft das Programm in der Motte. 50 Mädchen von unterschiedlichen Schulen werden unter Anleitung von Frauen, die in dem entsprechenden „Männerberuf“ tätig sind, betreut. „So können sich die Mädchen mit einer Person identifizieren, die Schwelle zu dem Beruf wird gesenkt“, sagt Marlies Herkenrath, Leiterin der Berufsorientierung im Jugendbereich der Motte. Nach Beendigung der Arbeitstage gibt es Auswertungsrunden. Hierbei sollen die Mädchen von ihren Erfahrungen berichten und sich selber einen Brief schreiben, der ihnen nach 2 Monaten zugeschickt wird. „So können wir Kontakt mit den Mädchen halten. Es kommt oft vor, dass sie für andere Projekte wiederkommen “, erklärt Sigrun Schindler, die ebenfalls im Jugendbereich der Motte tätig ist.

Metallkünstlerin Jank hat die Erfahrung gemacht, dass es „im Handwerk schon noch einen Unterschied zwischen Mädchen und Jungen gibt. Wenn Jungen Metallarbeit als Kampf mit den Elementen sehen, ist es für Mädchen eher ein Spiel mit den Elementen“, sagt Jank. „Viele Mädchen arbeiten aber wesentlich sauberer – wenn sie sich dann trauen.“

Mit dem Schweißgerät bearbeiten Jank und 4 Mädchen einen kupfernen Kerzenständer, der an die Wand geschraubt werden soll. Schülerin Nicole Rojas hält die blaue Flamme auf das Metallstück gerichtet. „Und ist es schwer?“ „Nee.“ Jank: „Na also.“

Die Mädchen sind mit Freude dabei. An zwei Tagen sollen die 8-Klässlerinnen Einblicke in verschiedene Bereiche erhalten. Es wird gelötet, geschweißt und programmiert, aber auch gefilmt und geschmiedet. „Vorrangiges Ziel ist es, das Selbstbewusstsein der Mädchen zu stärken und ihren Blick für andere Berufe zu öffnen“, gibt Herkenrath Auskunft. Das glückt zum Teil sehr gut. Das Feedback reicht von vollmotiviert und begeistert bis gelangweilt und ein wenig desinteressiert. „Besser als Schule“ ist es aber für fast alle.

Die Motivation hängt auch stark davon ab, ob die Mädchen den Projektplatz ihrer Wahl bekommen haben. „Leider konnten nicht alle Mädchen ihre Erstwahl bekommen“, erklärt Herkenrath. Doch auch in nichtgewählten Bereichen gibt es viel zu entdecken. Anna Bindeseil von der Max-Brauer-Gesamtschule beispielsweise ist ungewollt bei den Elektrikerinnen gelandet. „Ich wollte hier eigentlich nicht rein, aber jetzt ist es sehr lustig“, sagt sie zufrieden. Anna und die anderen Mädchen in der Elektroabteilung stellen ein Geduldspiel her. „Vorher konnte ich mir nicht vorstellen zu löten, aber eigentlich ist es ganz einfach. Nur der Geruch ist etwas unangenehm.“ wirft Mitschülerin Lena Wiese ein. Mit Elektronik arbeiten wollen die beiden aber trotzdem nicht. „Es ist nicht so, dass ich mich nicht trauen würde. Elektronik interessiert mich einfach nicht so sehr wie andere Bereiche“, erläutert Lena.

Größer ist das Interesse in der Silberschmiede. „Eigentlich möchte ich Meeresbiologin werden, aber als Nebenberuf könnte ich mir das hier auch vorstellen“, erklärt Newroz Beyköylü. Von einer ganz anderen Seite betrachtet Christin Lewandowski ihre Arbeit in der Metallwerkstatt. „Mich interessiert der Beruf, aber ich glaube, man verdient kein Geld damit“, sagt sie. „Ich würde gerne Polizistin werden. Irgendwie ist das auch ein Männerberuf, aber ich habe keine Angst. Wovor auch.“

Für Cansa Aras gibt es „Männerberufe“ sowieso nicht: „Ich spiele doch auch Fußball. Männer können auch in Kitas arbeiten.“