„Eingriffsschwelle gesenkt“

Verschärftes Verfassungsschutzgesetz von der Bürgerschaft gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet. Die hält Lauschangriff weiterhin für eine Zumutung

Mehr Rechte für Hamburgs Verfassungsschützer hat die Rechts-Koalition beschlossen. Am Mittwochabend hat sie mit ihrer Mehrheit in der Bürgerschaft ein verschärftes Überwachungsgesetz verabschiedet. SPD und GAL stimmten dagegen.

Nach dem Gesetz ist es dem Geheimdienst des Stadtstaates künftig erlaubt, alle Menschen zu überwachen, die er terroristischer Umtriebe verdächtigt. Bei „dringender Gefahr“ darf die Observation auch auf alle ausgeweitet werden, die mit ihnen in „Kontakt“ kommen.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Innenbehörde war heftig umstritten gewesen. Er hatte den Großen Lauschangriff auch auf Berufsgeheimnisträger wie Geistliche, Ärzte, Anwälte oder Journalisten vorgesehen, wenn die Vermutung bestehe, sie könnten zu Verdächtigen Kontakt haben. Dies hatten sämtliche Berufsverbände, Gewerkschaften und die Kirchen als „inakzeptabel“ abgelehnt. Die Schweigepflicht zum Beispiel von Medizinern oder Strafverteidigern dürfe nicht zur Disposition gestellt werden.

Aufgrund dieser Kritik hatten die Regierungs-Fraktionen von CDU, Schill und FDP für diese Berufsgruppen eine Ausnahmeregelung hinzugefügt: Sie dürfen jetzt nur noch belauscht werden, wenn sie selbst verdächtig sind. Für Normalbürger gilt aber weiterhin die verschärfte Schill-Variante, inklusive der Überwachung durch Kameras, die die Bundesregelung nicht vorsieht.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Leif Schrader, bezeichnete das Gesetz in der Debatte als „Garant für eine effektive Gefahrenabwehr“. Er sei sicher, dass „99,99 Prozent“ der HamburgerInnen niemals obrserviert werden würden. Innensenator Ronald Schill beteuerte, es sei nie beabsichtigt gewesen, Geheimnisträger „gezielt“ auszuhorchen.

SPD-Rechtspolitiker Rolf-Dieter Klooß wies hingegen die Behauptung zurück, Geheimnisträger würden in Hamburg stärker geschützt als auf Bundesebene. Vielmehr würden in der Hansestadt Polizei- und Verfassungsschutzaufgaben vermischt. Auch nach den Regelungen des Anti-Terror-Pakts von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) dürfen Polizei und Verfassungsschutz bei bestimmten Straftaten Informationen austauschen. Im Hamburger Gesetz liege diese Schwelle aber „deutlich niedriger“, kritisierte auch der grüne Abgeordnete Christian Maaß.

Das Herausnehmen der Berufsgeheimnisträger sei „nur eine Korrektur“ des Entwurfs gewesen, weitere notwendige Änderungen seien hingegen unterblieben: „Das Abhören von unverdächtigen Personen, die lediglich Kontakt zu Verdächtigen haben, ist weiterhin erlaubt“, und das hält Maaß für eine „Zumutung“. sven-michael veit