Risse am Knastneubau

Anwaltskammer droht dem Justizressort mit Verfassungsklage: Jugendliche und Erwachsene müssen getrennt in Haft. Nach einem Urteil könnte der finanzielle Schaden für Bremen enorm werden

Vor zumeist uninspirierten Abgeordneten traten gestern die Gegner eines Knastneubaus im Blockland entschlossen auf. Im Rechtsausschuss der Bürgerschaft kündigte der Vorsitzende der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer an, dass Anwälte im Interesse jugendlicher Mandanten „bis nach Karlsruhe“ gehen würden, wenn der Jugendvollzug in den Erwachsenenknast integriert werde – und dort so schlecht laufe wie jetzt schon.

Als Kronzeuge für die miese Lage im Jugendknast im Blockland führte Anwalt Erich Joester den JVA-Anstaltsleiter Manfred Otto selbst an. Der habe gegenüber Richtern große Personalnot beklagt und die Grenzen zum Unerträglichen beschworen. Schon jetzt werde wegen des Neubaus am JVA-Personal gespart, so Joester. „Wie wollen Sie einem Karlsruher Richter klarmachen, dass das während der mehrjährigen Umbauphase anders ist?“ Der Anwalt warnte vor enormen finanziellen Folgen, wenn das Verfassungsgericht einen Knastneubau für Junge und Alte nachträglich für gesetzeswidrig erkläre. Auch eine befristete Zusammenlegung während der Bauzeit gehe nur bedingt, „wenn breiter Konsens herrscht“.

Von Konsens ist das SPD-geführte Justizressort so weit entfernt wie nie. Der Koalitionspartner CDU will erst städtebauliche Neuplanungen an den frei werdenden Knast-Standorten Oslebshausen und Bremerhaven, und damit verbundene Finanzfragen klären. Im Februar sollen die Ergebnisse in den Senat.

Gegen ein integriertes Neubaukonzept laufen auch die Jugendrichter Sturm. Der Vollzug im Blockland sei schon jetzt kaum zu verantworten. „Jugendliche Gefangene sind 23 Stunden eingeschlossen, es gibt keine Bücherei mehr, keine Freizeitangebote und keinen Sport.“ Laut Gesetz müsse Erziehung stattfinden, um Defizite auszugleichen und kriminelle Karrieren zu verhindern. Die Richter sind verbittert, weil das Justizressort sie bei den Knast-Planungen übergeht, die „allein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien“ erfolgen.

Doch Justizstaatsrat Ulrich Mäurer, kein Vermittler-Typ, blieb hart: Erst wenn die Richter ihren „Trennungsanspruch“ zwischen Erwachsenen- und Jugendvollzug aufgäben, wolle er sie in die Beratungen einbeziehen. Natürlich gehe es ums Geld. „Vielleicht muss man klären, ob Bremen sich weiter einen Jugendknast für 70 Personen leisten will.“ Er jedenfalls wolle einen Knast der Zukunft, in dem die einzelnen Abteilungen den Bedürfnissen „wie Module“ anzupassen seien – „mal für mehr Erwachsene, mal für mehr Jugendliche“. Die 110 Millionen Euro seien eine Investition für 100 Jahre.

„Sie wissen doch noch gar nicht, wie teuer alles wird“, rief der Grüne Herman Kuhn. Die Zahlen der Unternehmensberatung Roland Berger, die allein für einen Neubau gesprochen hatten, stelle das Ressort jetzt doch selbst in Frage. „Warum nicht auch den Neubau?“ fragte er wie zuvor Joester. Das Ressort erzeuge durch Personaleinsparungen und längere Haftzeiten Druck, so dass bald viele schon einen schlechten Neubau gut fänden.

Fraglich ist, ob der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Horst Isola (SPD) noch „einen ordentlichen Beratungsprozess“ in die Gänge bringt. ede