Kompromiss in spe

Fischereireform in der EU kommt nicht recht voran.Dabei wächst der Druck, weil die Überfischung zunimmt

BRÜSSEL taz ■ Eine Warnung servierten die als Kellner verkleideten World-Wildlife-Fund-Mitglieder gestern den Agrarministern in Brüssel: „Stoppt die Überfischung!“ Die Minister befassten sich mit den Vorschlägen zur Fischereireform, die Agrarkommissar Franz Fischler im Mai vorgelegt hatte.

Da mehrere Fischarten vom Aussterben bedroht sind, will der Kommissar die Fangquoten drastisch reduzieren. Haushaltsmittel, die eigentlich für Flottenmodernisierung eingeplant waren, sollen zum Abwracken von Schiffen und für Umschulungs- sowie Sozialmaßnahmen eingesetzt werden. Die deutsche Ministerin Renate Künast (Grüne) unterstützt die Pläne. Sie will, dass die Fangquoten stark gesenkt und Schutzzonen ausgewiesen werden, in denen gar nicht gefischt werden darf.

Eine ökologisch derart vernünftige Position fällt der Bundesregierung auch leicht, weil sie finanziell geringe Einbußen hätte. Spanien dagegen, das in der Finanzperiode zwischen 2000 und 2006 1,7 Milliarden Euro Strukturhilfe im Fischereisektor erwartet, stellt sich quer. Da die Mittel aber jedes Jahr neu bewilligt werden, hofft Künast, dass ihr spanischer Kollege sich kompromissbereit zeigt: Die Förderung größerer, besser ausgestatteter Schiffe soll stufenweise auslaufen, der Differenzbetrag in Sozialprogramme fließen.

Nach Meinung von Experten müssen die Fangkapazitäten je nach Region und Fischart zwischen 30 und 60 Prozent reduziert werden. Einige Bestände –wie der Kabeljau – sind aber so bedroht, dass nur eine völlige Erholung helfen kann. Die EU-Kommission schlägt deshalb vor, den Kabeljaufang in der Nordsee, westlich von Schottland und zwischen Dänemark und Norwegen um 80 Prozent zu senken. Solange in diesen Gebieten aber noch andere Arten gefischt werden, geht eben doch Kabeljau ins Netz – als Beifang.

Nur eine Verkleinerung der EU-Flotte, so Fischler, könne die Balance wieder herstellen. 8.600 Schiffe müssten verschrottet werden. Dagegen wehren sich auch andere Seefahrernationen wie Portugal, Italien, Griechenland, Frankreich und Irland. Die dänische Präsidentschaft aber ist entschlossen, im letzten Fischereirat dieses Jahres am 16. Dezember einen Kompromiss auszuhandeln.

DANIELA WEINGÄRTNER

Siehe auch Sättigungsbeilage „Kabeljau“ im morgigen taz-mag