Westfale, gib die Dose zurück!

Stopp für Dosenpfand in Nordrhein-Westfalen aufgehoben. Aber Tauziehen geht weiter. Trittin: Ab Januar müssen Händler Dosen zurücknehmen. Handel: Nicht machbar und rechtlich weiterhin unklar. Automatenhersteller freut sich schon mal

Supermärkte wie Aldi, Tengelmann, Spar und Metro werden sich weiter weigern

von HANNA GERSMANN

Seit Monaten streiten die Bundesregierung und die Gegner des Dosenpfandes. Gestern – gut einen Monat vor dem geplanten Start – durfte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) strahlen: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster kassierte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom September, das eine Gruppe von Klägern, darunter Handelsketten und Großbrauereien, in Nordrhein-Westfalen von der Pfandpflicht befreit hatte.

Die Münsteraner Richter entschieden nach einem Eilantrag des Bundes und des Landes NRW, dass es im bevölkerungsreichsten Bundesland doch keinen Sonderweg geben soll. Keine zwei Stunden später kündigte Trittin an: „Damit ist klar: Die Pfandpflicht gilt ab dem 1. Januar 2003 bundesweit und ohne Ausnahmen.“ Wer seine leere Dose oder Einwegflasche für Bier, Cola, Limo oder Wasser dann zurückbringt, bekommt 25 Cent zurück. Bei 1,5-Liter-Flaschen sind es sogar 50 Cent.

Mit einer Prozessflut durch alle Instanzen hatten Verpackungshersteller, Supermärkte und die Lobbyverbände der Einwegindustrie versucht, das Dosenpfand aufzuhalten. Das Düsseldorfer Urteil, das die Münsteraner Richter nun kippten, war ihr einziger Erfolg gewesen.

Ganz geschlagen wollten sie sich aber auch gestern nicht geben. Noch immer bestehe Rechtsunsicherheit, argumentierte der Sprecher des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels (HDE), Hubertus Pellengahr. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird erst im Frühjahr ein Grundsatzurteil fällen, ob das Dosenpfand per Verordnung geregelt werden kann. Deshalb sei es vom Handel zu viel verlangt, schon jetzt „Milliardenbeträge auszugeben“, sagte Pellengahr. Jürgen Trittin möge das Pfand bis dahin verschieben, appellierte er. Auch die Handelsvereinigung für Marktwirtschaft (HfM), in der Pfandgegner wie Aldi, Tengelmann, Spar und Metro zusammengeschlossen sind, erklärte, man werde zunächst das Leipziger Urteil abwarten. Allgemein wird allerdings erwartet, dass die Richter grünes Licht geben. Und Trittin sagte: „Das ausstehende Urteil ändert nichts an der Rechtslage, die zur Pfanderhebung ab Januar verpflichtet.“

„Praktisch ist es nicht möglich, in der kurzen Zeit die nötigen Vorkehrungen zu treffen“, hielt Pellengahr darüber hinaus dagegen. Auch das ließ der Bundesumweltminister nicht gelten: Handel und Hersteller hätten genügend Zeit gehabt, sich auf das Pfand einzustellen.

Das Kabinett hatte das Dosenpfand im März 2002 beschlossen, weil die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwegquote von 72 Prozent schon seit 1997 nicht mehr erfüllt worden war. Im Übrigen sei kein Händler dazu verpflichtet, Dosen und Einwegflaschen zu verkaufen, sagte Trittin. Wer das Pfand boykottiere, den erwarteten allerdings empfindliche Strafen. Pfandbefürworter wie mittelständische Brauereien, die ihre Getränke zumeist in Mehrwegflaschen abfüllen, kündigten bereits an, die pünktliche Umsetzung genau zu kontrollieren.

Handel und Hersteller lehnen das System ab, weil sie in Automaten investieren müssen, um Dosen und Einwegflaschen zurücknehmen zu können. Die Regierung rechnet damit, dass etwa 80.000 Automaten benötigt werden und dass es rund eine Milliarde Euro kostet, sie aufzustellen. Die Bundesregierung prognostiziert, das Dosenpfand werde jährlich rund 130 Millionen Euro Mehrkosten verursachen. Pro Verpackung wären das weniger als ein Cent.

Der Hauptproduzent für Rücknahmeautomaten, die norwegische Tomra, darf sich schon mal auf gute Einnahmen freuen. Die Aktien legten nach Bekanntwerden des Urteils in der Spitze um rund 4 Prozent zu.