verhandlungssache
: Mordechay Lewy

Wo Diplomaten schlafen

Was ist das älteste Gewerbe der Welt? Die Antwort von Sir Paul Lever, Botschafter des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, war vor zwei Wochen an dieser Stelle zu lesen. Im Rahmen einer Ringvorlesung der Humboldt-Universität mit dem Titel „Konzepte von Diplomatie“ erläuterte er: Die Diplomatie sei es nicht, die sei das zweitälteste Gewerbe. Aber mit dem ältesten habe sie ab und zu manches gemeinsam. Dem widersprach Mordechay Lewy nun vom selben Pult aus, als er sein „Konzept von Diplomatie“ vorstellte.

Der Gesandte Israels stellte klar: Die Diplomatie ist das älteste Gewerbe der Welt. Den Beweis entnahm er, passend für einen Vertreter Israels, dem vierten Buch Mose, Numeri. Im Kapitel 20, Vers 14 und 17 heißt es: „Mose schickte von Kadesch aus Boten zum König von Edom und ließ ihm sagen: Wir möchten durch dein Land ziehen.“ Das angeblich älteste Gewerbe, so Lewy, werde erst später erwähnt, im Buch Josua (Kapitel 2, Vers 1) – erstaunlicherweise auch in Bezug auf „Kundschafter“: „Sie brachen auf und kamen zu dem Haus einer Dirne namens Rahab; dort wollten sie übernachten.“ Übrigens: Rahab gehört in den Stammbaum Jesu.

So launig, so geistreich zertrümmerte Lewy Vorurteile über Diplomaten: Auch wenn die meisten Nachrichten über das Geschehen im Heimatland der Diplomaten von Journalisten schneller übermittelt würden – diese Artikel machten die Hintergrundberichte der Diplomaten nicht überflüssig. Ebenso wenig seien international reisende Politiker und die Entsandten ihres diplomatischen Corps austauschbar. Denn Diplomaten seien „politische Eunuchen“: Sie verstünden die Politik, vielleicht sogar besser als manche Politiker, aber dürften sie nicht selbst ausüben. Ihr Job, betonte Lewy mehrmals, sei nur die Berichterstattung über Politik. Dabei sei es ihre Aufgabe, von den sperrigen Probleme zwischen den Staaten „die Ecken abzurunden“. Falsch aber sei es, dies mit Lügen gleichzusetzen. Man müsse als Diplomat, unterstrich Lewy, auf seinen guten Ruf achten – wer es zu leicht nehme mit der Wahrheit, schade seiner Reputation, denn das spreche sich schnell herum. Eine gewisse Abgebrühtheit sollte man als Diplomat allerdings schon mitnehmen. Und: Ein guter Zuhörer müsse man sein.

Beim Beantworten der manchmal allzu länglichen Fragen aus dem Publikum bewies Lewy, dass er in dieser Hinsicht kein Geselle mehr ist. Dennoch lehnte es Lewy ab, mal kurz zu erläutern, wie man denn nun Frieden schaffen könne im Nahen Osten. Und einmal, nur einmal hatte er die Lacher nicht mehr auf seiner Seite. Als ein Zuhörer ziemlich detailreich die Politik Israels in den besetzten Gebieten anprangerte und Lewy wie viele Zuhörern ihn aufforderten, doch endlich eine Frage zu stellen, reagierte der Hörer elegant: „Meine Frage an Herrn Lewy ist doch klar“, meint er cool, „Wie rechtfertigen Sie diese Politik?“ Da musste selbst der abgebrühte Mordechay Lewy kurz lächeln.

PHILIPP GESSLER

Am 5. 12., 18 Uhr: S. E. Salem Quateen, Liga der Arabischen Staaten