Der Panzerkreuzer bleibt

Niederlage für SPD-Justizsenatorin Schubert: Sie muss den umstrittenen Generalstaatsanwalt Karge weiter beschäftigen, beschloss gestern das Verwaltungsgericht. Damit hat Karge sich durchgesetzt

von PLUTONIA PLARRE

Totgesagte leben länger. Nach diesem Motto feierte der im Sommer vom Abgeordnetenhaus abgewählte Generalstaatsanwalt am Landgericht, Hansjürgen Karge (SPD), gestern eine Art Wiederauferstehung. Die Fünfte Kammer des Verwaltungsgerichts befand in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, dass Karges Abberufung nicht vollzogen werden darf. Im Klartext: Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) muss den umstrittenen „General“ bis zu einer endgültigen Entscheidung weiter beschäftigen, obwohl das Vertrauensverhältnis zu dem 61-Jährigen zerstört ist.

Das sei zwar misslich, ab kein Grund, anders zu entscheiden, befand das Gericht. Schließlich habe Schubert die Möglichkeit, den Generalstaatsanwalt auch anders in die Schranken zu weisen: durch klare Anordnungen. Und wenn er diese nicht befolge, mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Ratzmann, gab der Justizsenatorin den Tipp, Karge an einer Stelle einzusetzen, wo er keinen Schaden anrichten könne.

Karge, der sich selbst als „Panzerkreuzer“ bezeichnete, sagte gestern, am Montag wolle er wieder seinen Dienst antreten. „Selbstverständlich wird das Urteil von uns respektiert“, sagte auch Schuberts Sprecherin. Karge werde am Montag um acht Uhr von der Senatorin zu einem Gespräch erwartet und danach seinen Dienst antreten.

Das zerstörte Vertrauensverhältnis zwischen den beiden spielte gestern keine Rolle. Das Gericht ging allein der Frage nach, ob der Generalstaatsanwalt am Landgericht zu Recht ein politischer Beamter sei. Als solcher kann er in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, wenn er mit den politischen Ansichten der Regierung nicht übereinstimmt. Berlin ist das einzige Bundesland, das sich seit Jahrzehnten Generalstaatsanwälte leistet, die gemäß der Berliner Verfassung vom Abgeordnetenhaus berufen und abgewählt werden. In anderen Bundesländern wird die Funktion, die Karge hier hat, von einem Leitenden Oberstaatsanwalt wahrgenommen, der ein normaler Laufbahnbeamter ist. In Berlin soll das bald auch so sein.

Die Justizverwaltung verwies gestern auf eine seit 1957 ausgeübte Rechtspraxis, nach der schon zwei Polizeipräsidenten und ein Generalstaatsanwalt abgewählt wurden. Das Verwaltungsgericht aber war der Meinung, dass Karge nicht den Status eines politischen Beamten habe – und demzufolge auch nicht auf dem beschrittenen Weg in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden könne. Der Grund: Karge habe, so das Gericht, keine Schlüsselfunktion zwischen Politik und Verwaltung innegehabt. Denn zwischen ihm und der Justizsenatorin gibt es noch den Generalstaatsanwalt am Kammergericht, Karges Vorgesetzten. So hatte auch Karges Anwalt argumentiert: „Das Landrecht hat sich dem Bundesrecht anzupassen.“ Bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren werden Jahre vergehen; der Fall soll dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.

Der 1994 von der SPD in das Amt geholte Karge galt seit Jahren als umstritten. Mit Justizsenatorin Schubert war es im Frühsommer zum offenen Konflikt gekommen, weil sich Karge nicht an Absprachen hielt. Ohne Rücksprache hatte er zum Beispiel personelle Veränderungen in der Sonderermittlungsgruppe Bankgesellschaft vorgenommen. In der Vergangenheit war Karge durch sein Plädoyer für härtere Gesetze und „altpreußischen Gehorsam“ negativ aufgefallen. Nach Ansicht seiner Untergebenen ist er nicht in der Lage, die überfällige Modernisierung der vorsintflutlich strukturierten Behörde herbeizuführen.