buchtipp: Wider die Einfalt
Irak
Während unsere Wahrnehmung des Zweistromlands von Saddam Hussein und Kriegsgedröhn geprägt ist, zeigt der National-Geographic-Verlag den „Unbekannten Irak“ in einer Dokumentation von National-Geographic-Reportagen aus den 20er-Jahren bis heute. Seit der Gründung des National Geographic Magazine im Jahr 1888 schweifen seine Reporter in die legendärsten und verstecktesten Winkel der Welt aus. In der Reihe National Geographic Archiv werden zum größten Teil in nichtdeutscher Sprache veröffentlichte Reportagen neu zusammengestellt, um aktuelle Themen zu beleuchten – wider die Eindimensionalität der Sichtweise.
Die Reportagen aus den 20er-Jahren, denen ein Kapitel gewidmet ist, schildern überraschende Begegnungen, unerwartete Details und geben manchmal naive Deutungen. Sie führen außer dem Eurozentrismus im Handgepäck noch keine politische Bedenken gegen das Land an Euphrat und Tigris mit sich. Schwarz-weißfotografien mit zum Teil archaischen Motiven unterstreichen die Vergänglichkeit. Nach dieser forschen auch die Ärcheologen, die 1899 mit der Freilegung der Stadt Babylon im Süden und 1904 mit Ausgrabungen in Asur im Norden Iraks begannen. Ein Schwerpunkt des Buches thematisiert die Geschichte Mesopotamiens. Der Turm von Babel, die Stadt Ur, Perser, Parther, Römer, Byzantiner, später Mongolen, Turkmenen, Mamelucken, Türken und Briten – die Geschichte des Iraks ist alt und wechselreich. Der Irak ist ethnisch ein Schmelztigel, mag seine selbstherrliche Führung auch heutzutage den Eindruck der Homogenität vermitteln. Auch der moderne Irak wird in Bild und Text dokumentiert: ob „Nach dem Wüstensturm“ oder „Bagdads neues Gesicht“ – die National-Geographic-Reporter zeichnen das Bild eines vielschichtigen Landes. Die Reportagensammlung ist ein schönes Buch, ein vielseitiges Nachschlagewerk und ein Beitrag wider die schlichte Einordnung einer anderen Kultur. ED
„Die großen Reportagen aus dem legendären ‚National Geographic Magazine‘: Unbekannter Irak“, 2002, 252 Seiten, 24,95 €
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