Politiker mit Ölfleck auf der weißen Weste

Die Ölkatastrophe könnte sein Schicksal besiegeln: Spaniens Vizechef Mariano Rajoy muss um seine Karriere bangen

Egal, welchen Job Mariano Rajoy innehat, er nimmt ihn ernst. Derzeit ist der „emotionslose Minister“, wie Spaniens Presse den 46-Jährigen getauft hat, stellvertretender Ministerpräsident und Sprecher der spanischen Regierung. Die Aufgabe des immer ruhig und besonnen wirkenden Mannes: lügen, damit es gedruckt wird. Eine Begabung, die seit dem Tankerunglück vor Galiciens Küste gefragter ist denn je.

„Die ‚Prestige‘ hat beim Auseinanderbrechen ein bisschen Öl verloren“, beteuerte der Konservative in den letzten Tagen immer wieder. Das Bisschen droht jetzt an die Küste zu schwappen: 11.000 Tonnen, ein Teppich von der Größe Berlins.

Die Ölpest verwandelt sich nicht nur in einen schwarzen Fleck an der galicischen Küste, sondern auch auf Rajoys politischer Weste. Während Fische und Vögel verenden, stirbt auch die Hoffnung des Stellvertreters von José María Aznar, das Amt des Regierungschefs in zwei Jahren zu erben. Mit jeder schwarzen Welle verliert Rajoy Unterstützer. Dabei war er noch im Sommer bei Umfragen der am besten bewertete Politiker. Die Presse schrieb ihn förmlich ins Amt des Spitzenkandidaten der Volkspartei (PP), wenn Aznar nicht mehr antreten wird.

Jetzt löffelt Rajoy für jene die Suppe aus, die ihn in der Politik groß gemacht haben. Rajoys Gönner sind Aznar und der Chef der galicischen Regionalregierung, Manual Fraga. Beide glänzen angesichts der größten Umweltkatastrophe, die Spaniens Küsten je heimgesucht hat, durch Untätigkeit. Rajoy lügt schön und hofft, dass es außerhalb der Karikaturen gedruckt wird. Das schadet dem besonnenen Politiker umso mehr, da er selbst aus Galicien kommt. Hier im rauen Norden machte er mit 26 erste politische Schritte. Unter Parteichef Fraga wurde er erst Abgeordneter im Regionalparlament, dann Präsident der Provinzvertretung in Pontevedra. Von dort schaffte er 1990 den Sprung nach Madrid. Fraga räumte den Parteivorsitz für Aznar, nicht ohne Rajoy als Aufpasser in den verjüngten Parteivorstand zu schicken. Vizegeneralsekretär durfte sich Fragas politischer Ziehsohn fortan nennen.

Er wurde schnell zur Figur hinter Aznar. Seine Arbeit war entscheidend für den PP-Wahlsieg 1996. Aznar wurde Regierungschef und Rajoy einer seiner wichtigsten Minister. Ob als Verantwortlicher für den öffentlichen Dienst, Erziehung und Wissenschaft, Inneres oder wie jetzt als Sprachrohr seines Herrn, Rajoy arbeitete immer sehr effektiv. So war er es, der die BSE-Krise in den Griff bekam. Er setzte die verschiedenen Behörden an einen Tisch und beendete das Kompetenzchaos.

Nicht nur Rajoys eigene Zukunft könnte dem Öl zum Opfer fallen, sondern auch die der PP in Galicien. Im fernen Madrid hat Rajoy die Heimat nie vergessen. Der mittlerweile 80-jährige Fraga braucht dringend einen Nachfolger. Rajoy war dabei, ihm einen aufzubauen. Er holte einen brillanten Techniker und guten Redner aus Brüssel zurück an die Küste. Der Neue kam auf den Wahlkampfveranstaltungen an. Fraga nahm Enrique López Veiga als Fischereiminister in die galicische Regierung und ließ ihm immer mehr Spielraum. Alles lief wie am Schnürchen. Zumindest bis zum Tag, an dem die „Prestige“ leckschlug. Wenn es derzeit einen Politiker gibt, der noch mehr der Kritik ausgesetzt ist als Rajoy, so ist es López Veiga.REINER WANDLER