In der Gruft mit Zola und Hugo

Die letzte Ruhestätte von Alexandre Dumas im Panthéon hat Staatspräsident Chirac persönlich angeordnet.Heute treffen seine Überreste dort ein. Ehrenzug und Ehrenrummel sorgen in ganz Paris für ausverkaufte Buchläden

aus Paris DOROTHEA HAHN

Die Knochen von Alexandre Dumas sind bereits seit Tagen unterwegs. Am Dienstag wurden sie in der Picardie ausgebuddelt und als jene des Autors der „Drei Musketiere“, des „Grafen von Monte Cristo“ und von weiteren 300 Büchern identifiziert. Sie wurden feierlich durch die Straßen von Villers-Cotterêts getragen, wo ihr Besitzer vor 200 Jahren zur Welt kam. Dann reisten sie ein letztes Mal ins Schloss ihres Besitzers, der auf Anhieb Bestseller produzierte und sich von ihrem Erlös einen aufwändigen Lebenswandel erlaubte.

Heute kommen die Knochen in Paris an. Vier lebende Kollegen von Dumas werden sie in einem neuen Sarg vom Senat bis zum Totentempel der französischen Republik tragen. Unterwegs werden Schauspieler Dumas-Texte rezitieren, werden der Staatspräsident und der Kulturminister grüßen, werden Massen von Parisern am Wegrand winken. Weil sie aufgefordert sind, ein Buch von Dumas in den Händen zu halten, sind dessen Werke seit Tagen ausverkauft.

„Pantheonisierung“ heißt die Ehre, die Dumas 132 Jahre nach seinem Tod widerfährt. Es ist die höchste Auszeichnung, die die französische Republik ihren Toten verleiht. Und eine Anerkennung, über die heute ganz allein der Präsident entscheidet. Seit Kriegsende wurden nur 15 Personen „pantheonisiert“. 71 Tote ruhen ingesamt in den eiskalten unterirdischen Gängen des Totentempels Panthéon auf der linken Seite der Seine. Nur zwei von ihnen sind Frauen. Die erste, Sophie Berthelot, kam 1907 als Gattin ihres preisgekrönten Chemikergatten in die Marmorgruft. Die zweite ist die Atomphysikerin Marie Curie. Sie wurde 1995, auch auf Wunsch von Feministinnen, umgebettet. Es war eine der letzten politischen Entscheidungen des scheidenden Staatspräsidenten Mitterrand.

Dumas ist Jacques Chiracs Pantheonisierter. Sein zweiter. Während seiner ersten Amtszeit sorgte Chirac 1996 für die Überführung von André Malraux – ebenfalls Schriftsteller und einstiger (gaullistischen) Kulturminister. Als Frankreichs Staatspräsident in diesem Frühling das Pantheonisierungs-Dekret für Dumas unterzeichnete, von dem er besonders die Reisebeschreibungen aus dem Kaukasus und Russland liebt, nannte er den Schriftsteller, „ein bisschen unser gemeinsames Haus“.

Dumas hat ein Millionenpublikum – weltweit und in Frankreich. Aber unumstritten ist seine Umbettung nicht. Zu Lebzeiten war Dumas als Vielschreiber verschrien, als „Romanfabrikant“, der viel fremdschreiben ließ. Das Establishment seiner Zeit, zum Beispiel Kollege Balzac, beschimpfte ihn als „Neger“. Denn Dumas’ Großmutter war eine haitianische Sklavin. Fast zwei Jahrhunderte lang galt Dumas als „Trivialautor“. Bis heute gehört er nicht zur schulischen Pflichtlektüre in Frankreich.

Im Panthéon, einer der letzten Großbaustellen der französischen Könige, die allerdings erst zur Revolution von 1789 fertig wurde, wird Dumas eine Gruft mit zwei Kollegen teilen: Emile Zola und Victor Hugo, mit dem zusammen er einst die junge Republik verteidigte. Eine Garantie auf Ewigkeit hat er trotzdem nicht. Denn auch das Panthéon ist von Stimmungen abhängig. Das bekamen schon die Knochen seines Erstbeziehers, Mirabeau, zu spüren. Von den Revolutionäre in das Panthéon geschickt, wurde er wenig später wieder ausgelagert, als konspirative Briefe von ihm auftauchten. Auch sein Nachfolger, der Revolutionär Marat, blieb nicht lange im Totentempel. Er fiel posthum so gründlich in Ungnade, dass ein Teil seiner Knochen in der Pariser Kanalisation endete.