Erst mal blockieren, dann mal sehen

Im Bundesrat bremst die schwarz-gelbe Ländermehrheit rot-grüne Gesetze zu Arbeitsmarkt, Rente und Ökosteuer

BERLIN taz ■ Die Union glaubt offenbar nicht daran, Rot-Grün bald aus dem Sattel heben zu können. Während seiner Rede vor dem Bundesrat entschlüpfte Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) gestern das Eingeständnis: „Und in einem Jahr stehe ich wieder hier und kritisiere die Bundesregierung.“ Ohne dieser Erkenntnis Bedeutung beizumessen, verfuhren die unionsgeführten Länder dann wie geplant. Alles was die rot-grüne Koalition vorlegte, wurde erstmal blockiert. Mit den Gesetzentwürfen zur Reform des Arbeitmarkts, zur Erhöhung der Rentenbeiträge und zur Neugestaltung der Ökosteuer muss sich demnächst der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag beschäftigen.

Die zentrale Debatte drehte sich gestern um Sinn und Unsinn dessen, was unter dem Stichwort „Hartz-Konzept“ bekannt ist. Während Wolfgang Clement, Bundesminister der SPD für Arbeit und Wirtschaft, die Reform als „historischen Fortschritt“ bezeichnete, kritisierten die Vertreter der Union „Mangelverwaltung“ und „Staatsinterventionismus“. Sie legten einen eigenen Gesetzentwurf vor, der die so genannten „Minijobs“ anders regeln soll. Wichtigster Unterschied: Neue, niedrig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse sollen nicht nur im haushaltsnahen Bereich (Putzen, Kochen, Betreuung, Pflege), sondern in allen Branchen der Wirtschaft zugelassen werden. Während die Regierungskoalition Monatsverdienste bis 500 Euro weitgehend von Steuern und Sozialabgaben freistellen will, schlägt die Union Vergünstigungen bis zu einer Grenze von 800 Euro vor.

Wenn es einen Punkt gibt, bei dem eine Einigung zumindest noch möglich erscheint, so ist es dieser. Hinter der SPD stecken zwar die Gewerkschaften, die eine allzu starke Ausweitung des Niedriglohnsektors verhindern wollen, aber Bewegung ist erkennbar. Innerhalb der Regierungskoalition plädieren im Übrigen die Grünen dafür, mehr „kleine Jobs“ anzubieten. Eine Kompromisslinie könnte darin bestehen, ein oder zwei weitere Branchen hinzuzunehmen, etwa die Gastronomie.

Vor den Landtagswahlen am 2. Februar 2003 in Hessen und Niedersachsen ist aber keine Einigung zu erwarten. Auch bei der Rente und der Ökosteuer wird die Union nicht auf die Regierung zugehen. Diese Gesetze kann Rot-Grün freilich später alleine durchsetzen.

Spannend wird es nach dem 2. Februar. Sieht sich Rot-Grün einer noch breiteren Mehrheit der Unionsländer im Bundesrat gegenüber, oder entstehen Risse in der schwarzen Front? Auch da machte Erwin Teufel eine Andeutung: „Einzelne Teile“ der rot-grünen Gesetze „gehen in die richtige Richtung“. HANNES KOCH