Stojanovics Geisterstunde

Erster Erfolg in der Color Line Arena: Die HSV-Handballer verschaffen sich mit einem überraschenden 30:26 gegen Flensburg-Handewitt einen kleinen Abstand zu den Abstiegsplätzen in der Bundesliga

Beckerfaustend wie ein Irrwisch: „Ich bin nicht ich, wenn ich auf dem Feld stehe“

von OKE GÖTTLICH

Mit einem Erklärungsversuch der Beziehung zwischen Geist und Begeisterung begegnet man den Gefühlen der HSV Handballer derzeit am konkretesten. Nach dem überraschenden Erfolg gegen den Tabellenzweiten aus Flensburg beseelte ein unerwartetes Glücksgefühl knapp 11.000 Zuschauer und das Hamburger Handballteam. Wer, wie der zuletzt kritisierte, aber nun in Siegespose fotografierte HSV-Trainer Anders Fältnäs, von einem „Geist in der Mannschaft“ spricht, hatte Recht. Tatsächlich hatte es viel mit Einstellung, Moral und Stimmung zu tun, wie der HSV den scheinbar übermächtigen Gegner aus Flensburg trotz eines Halbzeitrückstandes von 13:15 schließlich mit 30:26 besiegen konnte. Der Hamburger Keeper Goran Stojanovic kam zudem auf über 20 Paraden und beeindruckte nicht nur Flensburgs Manager Thorsten Storm so tief, dass dieser nur die Erklärung fand: „Goran hat gegen uns gewonnen.“

Stojanovic selbst weiß nicht, ob er nun Geist für sein Team bedeutet: „Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Ich bin nicht ich, wenn ich auf dem Feld stehe.“ Jeder, der den Keeper nach einer erneuten Rettungsaktion beobachtete, kann diesen Eindruck nur bestätigen. Wild fuchtelnd und beckerfaustend springt Stojanovic bis weit vor die Neunmeter-Markierung, und es bleibt sein Geheimnis, ob er damit den Gegner erschrecken oder sein Team motivieren möchte. Ein Spuk, der dem HSV zumindest zeitweilig wieder das Gefühl gibt, sein ehrgeiziges Saisonziel, der sechste Tabellenplatz, erreichen zu können. Auf Platz 14 ist man vorgerückt.

Nicht ganz so weit ist man nach der erschreckenden Niederlage in Flensburg vom Saisonziel entfernt. Das Aus im europäischen Wettbewerb und die Niederlage gegen den HSV lassen die erhofften Meisterschaftsklänge etwas mehr in Moll ertönen. Obwohl sich die sportliche Leitung zum Abschied des seit fünf Jahren tätigen Trainers Erik Veje Rasmussen am Ende der Saison einen Titel herbeisehnt. Dementsprechend nervös reagierten die Verantwortlichen nach der Niederlage. „Einige sollten sich Gedanken über die Arbeitsauffassung machen, wenn man gegen den HSV vor 2000 extra angereisten eigenen Fans verliert“, polterte Manager Storm los und verlieh seinem Team das Siegel der „nettesten Mannschaft der Liga“.

Auch Trainer Rasmussen ärgerte sich dermaßen, dass er mit Hilfe von Schlägen gegen die Betonmauern der Color Line Arena diese zum Einsturz bringen wollte. „Gestresst“ sei seine Mannschaft gewesen, was nicht zuletzt an der Körpersprache einzelner Spieler abzulesen war. „Hätte man mich vorher gefragt, ob die Kulisse einen Einfluss auf unser Spiel haben könnte, hätte ich ,Nein‘ gesagt. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher“, suchte er nach Erklärungen.