Die rot-rote Laterne

Im Stimmungstief und angesichts deprimierender finanzpolitischer Aussichten für Berlin strafen die Wähler SPD/PDS-Koalition ab: Laut Emnid-Umfrage bricht Rot-Rot voll ein. CDU und Grüne legen zu

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Berliner WählerInnen haben am Sonntag, dem ersten Advent, der rot-roten Koalition aus SPD und PDS und speziell den Sozialdemokraten ein ganz besonderes Lichtlein angezündet: nämlich ein Schlusslicht. Angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Misere des Landes und beim Bund sinkt die Zustimmung für die regierenden Parteien dramatisch. Wäre am Sonntag Wahltag, hätte Rot-Rot unter Führung von Klaus Wowereit (SPD) keine Chance mehr, eine Mehrheit zu bekommen. Zugleich ist der Vertrauensverlust bei den Wählern für die Politiker erneut spürbar geworden, traut man ihnen doch kaum mehr zu, die desaströse Haushaltslage zu meistern. „Eine Agonie liegt über der Stadt“, lautet das Urteil des Meinungsforschungsinstituts Emnid, das gestern seine monatliche Wahlanalyse veröffentlichte.

Wäre gestern Landtagswahl gewesen, hätte es die führenden Sozialdemokraten böse erwischt. Nach Meinung des Emnid-Instituts sackt die Berliner SPD im Vergleich zum Vormonat radikal ab und verliert 13 Prozentpunkte bei den Stimmenanteilen. Die Partei von SPD-Chef Strieder kommt im November auf schlappe 26 Prozent. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2001 erlangte sie noch 29,7 Prozent und war zwischenzeitlich sogar auf 39 Prozent hochgeschnellt.

Während die PDS – die 2002 22,6 Prozent erlangte – wie im Vormonat bei 10 Prozent rangiert, zieht die Opposition an der Regierung vorbei. Die CDU (23,8 Prozent in 2001) legte bei den Wählern um 8 Punkte auf 35 Prozent zu. Zweiter Gewinner der Emnid-Umfrage unter 750 Berlinern waren die Grünen, die auf 18 Prozent (9,1 Prozent) kommen, 4 Prozentpunkte mehr als im Oktober. Die FDP (9,9 Prozent) erreicht nach wie vor 6 Prozent.

Wäre an diesem Sonntag zudem Bundestagswahl gewesen, wäre das Ergebnis aufgrund der bundespolitischen Schieflage in der Finanz-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik und deren Auswirkungen auf die Stadt noch drastischer ausgefallen: Die CDU könnte in Berlin um 10 Punkte zulegen und 39 Prozent erhalten. Die SPD würde dagegen 16 Prozentpunkte verlieren und nur noch auf 24 Prozent kommen. Die Grünen erzielten 18 Prozent (plus 4) der Berliner Stimmen, die PDS 9 (plus 2) und die FDP 5 (minus 1).

Sibyll Klotz, grüne Fraktionsvorsitzende, wertete das gute Ergebnis für die Partei als Beweis einer „glaubwürdigen Oppositionspolitik“, die von den Wählern nun „honoriert“ würde. Die konstruktiven Vorschläge etwa zur Sanierung der Landesfinanzen, der Wohnungsbauförderung oder zum Dialog mit den Gewerkschaften über einen Solidarpakt spiegelten sich in den Umfrageergebnissen wider.

Wenig Bock haben die WählerInnen indessen auf das politische Personal, dessen Popularität sinkt. Den größten Einbruch muss laut Emnid der Regierende Bürgermeister Wowereit selbst einstecken, der im Oktober noch mit 1,1 Punkten am besten beurteilt wurde und nun 0,8 Punkte verliert und bei 0,3 liegt. Bausenator Strieder rutscht von minus 0,2 Punkten auf minus 0,6 ab. SPD-Schulsenator Böger fährt gleich ein Minus von 0,6 Punkten ein und landet auf der „Beliebtheitsskala“ auf dem drittletzten Platz. Einzig Finanzsenator Thilo Sarrazin verbessert sich etwas um 0,1 Punkte, Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) hält mit plus 0,2 hinter Wowereit seine Stellung des Vormonats.

So erfolgreich die CDU als Partei bei den Wählern abschneidet, so miserabel wird ihr Personal begutachtet: CDU-Fraktionschef Frank Steffel rutscht – bereits am Ende der Skala stehend – weiter ab. Er wird – wie seit Monaten schon – mit minus 1,9 (minus 0,3) am schlechtesten von allen Berliner Politikern bewertet.