KOLUMBIENS RECHTE MILIZEN VERGRÖSSERN IHREN EINFLUSS
: Wenig Feindschaft, viel Rhetorik

Wenn zwei verfeindete Parteien beschließen wollen, eine Zeit lang nicht mehr aufeinander zu schießen, dann schließen sie einen Waffenstillstand. Was aber, wenn sich die beiden Feinde gar nicht so sehr Feind sind? Niemals hat der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe den rechtsextremen Paramilitärmilizen den Krieg erklärt. Als Dank dafür erklären sie ihm jetzt den Frieden – und gewinnen. Mit ihrer Waffenstillstandserklärung gelingt es den Milizen, sich als politische Gruppe ins Spiel zu bringen, einen Status, der ihnen bislang verwehrt geblieben war.

So stellen sie sich plötzlich als Organisation dar, die an Kolumbiens Friedensprozess mitwirken könnte. Clever, aber zynisch: Die rechten Milizen führen einen gnadenlosen Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Sie haben dabei all jene im Visier, die sie im Bund mit der Guerilla vermuten. Sollten sie ihre Massaker an der Zivilbevölkerung tatsächlich zeitweise einstellen, muss dies nicht übermäßig beklatscht werden – denn sie halten sich die Option offen, jeden Moment wieder zuzuschlagen.

Zudem ist die Waffenstillstandserklärung verlogen. Die paramilitärischen Gruppen sind so eng mit den staatlichen Institutionen verflochten, dass sie längst Teil derselben geworden sind. Ihre Vertrauensmänner sitzen im Kongress, kontrollieren zahlreiche Staatsanwaltschaften, kommandieren Teile der Streitkräfte. Längst sind sie zu einer Paralellarmee geworden, die weniger zimperlich vorgehen kann als die regulären Einheiten. Es ist ein skurriles Schauspiel, wenn jetzt ein – wenn auch illegaler – Teil des staatlichen Apparates dem andern ein Friedensangebot macht.

Dass dieses Angebot Präsident Álvaro Uribe unterbreitet wird, wundert nicht. Er wurde mit Hilfe der rechten Milizen zum Präsidenten gewählt und sieht trotz aller Rhethorik in ihnen keine Gegner – ebenso wenig, wie sie in ihm einen Feind sehen dürften. Ihr Waffenstillstand hilft daher beiden. Uribe erweckt den Anschein, dass er Kolumbien mit seinem Krieg tatsächlich den Frieden näher bringt. Und die Milizen reinigen ihr Image als Mördergruppe. INGO MALCHER