Nur Schill will eskalieren

17 Demonstrationen in vier Wochen: Hamburger Bürgermeister Ole von Beust sucht nach einem Kompromiss. Aber Innensenator Schill setzt lieber weiter auf die Polizei

HAMBURG taz ■ Unter der Losung: „Gegen Ausgrenzung und Vertreibung – Schill muss weg“ zogen am Samstag fast 10.000 Menschen durch die vorweihnachtliche Hamburger Innenstadt und weiter ins Karo- und Schanzenviertel. Es war die 17. Demonstration, seitdem der Bauwagenplatz „Bambule“ vor vier Wochen durch eine Polizeiarmee geräumt wurde – und ein triumphaler Auftritt gegen Innensenator Ronald Schill.

Er hatte die Polizei zunächst angewiesen, die „Bambule-Chaoten“ aus der Innenstadt auf eine Umgehungsstraße am Hafen zu verbannen. Doch das Hamburger Verwaltungsgericht hob das City-Verbot auf und beschränkte es auf einige wenige Einkaufspassagen. Obwohl selbst die Polizeiführung den Kompromiss annehmen wollte, verdonnerte Innensenator Schill seine Polizeijuristen, Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht einzulegen. Dort blitzte er dann abermals ab.

Und so konnten sich die Bambulisten in Sichtweite der großen Kaufhäuser versammeln. Diese schöne neue Einkaufswelt wurde allerdings durch dutzende Wasserwerfer und Räumpanzer sowie 2.000 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet hermetisch blockiert. Dennoch blieb alles friedlich – selbst vor dem Axel-Spinger-Verlagshaus, wo gegen die „infame Hetze“ der Bild gewettert wurde.

Unterdessen ist sich der Hamburger Senat keineswegs einig, wie mit dem Bauwagenprotest weiter zu verfahren ist. Während Schill noch immer seine Eskalationsstrategie verteidigt – „die Linie, den Chaoten keinen freien Raum zu lassen, hat sich bewährt“ –, meldete sich nun CDU-Bürgermeister Ole von Beust persönlich und moderat zu Wort: Er würde einen Anruf der Bambule-Leute „ganz toll finden“, um über eine „einvernehmliche und friedliche Lösung“ zu reden. Die Bambule-Gruppe kommentierte dies „als wichtigen Schritt für eine friedliche Lösung“ und will heute Kontakt aufnehmen. Voraussetzung sei jedoch eine „Sofortlösung“ – also eine befristeter Bauwagenplatz für Bambule.

Inzwischen räumen Schill und sein Innenstaatsrat Walter Wellinghausen im Polizeiapparat auf, um Kritiker auszuschalten. So musste sich der polizeiliche Demo-Konfliktmanager Rüdiger Bretthauer anhören, dass man auf seine weitere Mitarbeit keinen Wert mehr lege – er wurde nach dem Skandal des Hamburger Kessels 1987 eingestellt. Auch dem Chef der Hamburger Polizei-Rechtsabsteilung, Matthias Burba, wurde empfohlen, sich einen neuen Job zu suchen. Denn Burba hatte sich geweigert, den offensichtlich illegalen Plan des Senators Schill zu decken, die Polizei anzuweisen, die Bambule-Bauwagen zu konfiszieren und zu verschrotten. Ein Polizeiinsider zynisch: „In Hamburg herrscht nicht nur auf der Straße, sondern auch im Apparat Bambule.“ KAI VON APPEN