Quotierung durch die Hintertür

Frauen werden voraussichtlich ein Drittel bis über die Hälfte der Richterposten beim Internationalen Strafgerichtshofbesetzen. Die Quotenregelung gilt allerdings nur für die ersten vier Wahlgänge. Daher machen NGOs jetzt weiter Druck

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Im neu geschaffenen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) werden Frauen voraussichtlich weit stärker vertreten sei als bislang in jeder anderen multilateralen Institution. Mindestens ein Drittel, möglicherweise sogar über die Hälfte der 18 Richterposten werden höchstwahrscheinlich mit Frauen besetzt. Das ergibt sich aus der Liste der 43 KandidatInnen, die bis zum Ende der Nominierungsfrist am letzten Wochenende von 43 der inzwischen 84 Vertragsstaaten des IStGH benannt wurden. Darunter sind zehn Frauen. Je drei wurden von afrikanischen und von osteuropäischen Regierungen nominiert, je zwei von lateinamerikanischen Regierungen sowie von Mitgliedern der „westlichen Staatengruppe“ (Westeuropa, USA, Kanada, Australien, Neuseeland). Aus Asien wurde keine Frau benannt.

Bei der Wahl der RichterInnen auf der zweiten Konferenz der Vertragsstaaten Anfang Februar 2003 in New York ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Im ersten Wahlgang kann jedes Land bis zu 18 Namen ankreuzen. Darunter müssen mindestens sechs der zehn Nominierten Frauen sein. Sonst ist der Wahlzettel ungültig. Bei weniger als neun weiblichen Kandidatinnen wäre die Anforderung für die Zahl der zu wählenden Frauen entsprechend geringer gewesen.

Diese verbindlichen Wahlregeln hatte die erste Vertragsstaatenkonferenz im September festgelegt. In das im Sommer 1998 in Rom verabschiedete Gründungsstatut des IStGH war lediglich die unverbindliche Sollbestimmung einer „fairen Verteilung“ der 18 Richterposten auf Frauen und Männer aufgenommen worden. Seitdem hatte sich der „Frauencaucus für Geschlechtergerechtigkeit“ innerhalb der internationalen „Koalition von Nichtregierungsorganisationen für einen effektiven Strafgerichtshof“ (CICC) für verbindlichere Regeln engagiert. Eine Forderung, die schließlich von einer Staatengruppe um die Schweiz, Österreich und Ungarn aufgenommen wurde. Mit der im September vereinbarten Wahlregel erhöhte sich für einen Vertragsstaat des IStGH die mathematische Chance, einen/eine eigene StaatsbürgerIn als Richter/in durchzusetzen, wenn er eine Kandidatin benannte. Seitdem wurden neun der zehn Frauen nominiert. Das Kalkül auf die erhöhte Chance zur Durchsetzung eines/r eigenen Staatsbürgers/in könnte bei der Wahl im Februar dazu führen, dass alle zehn nominierten Frauen gewählt werden.

Bislang sind Frauen bei internationalen Rechtsinstitutionen nur äußerst schwach oder überhaupt nicht vertreten: unter den 15 Richtern des seit 80 Jahren existierenden Internationalen Gerichtshofs gibt es erstmals seit 1995 eine Frau. Bei den UNO-Tribunalen zu Jugoslawien und Ruanda sind drei von 14 Richtern, beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof 10 von 41 Mitgliedern Frauen. Unter den 34 Mitgliedern der 1946 etablierten Völkerrechtskommission der UNO-Vollversammlung (die jahrzehntelang über das Statut für den Strafgerichtshof verhandelte) sind erstmals seit letztem Jahr zwei Frauen vertreten. Überhaupt keine weiblichen Richter oder Staatsanwälte gibt es am Internationalen Seegerichtshof, beim Menschenrechtsgerichtshof des amerikanischen Kontinents sowie in den Schlichtungsausschüssen der Welthandelsorganisation.

Gabi Mischkowski, die deutsche Frauenrechtsorganisationen in der internationalen NGO-Koalition vertritt, hält eine starke Frauenvertretung beim Strafgerichtshof allerdings nicht für gesichert, wenn bei der Wahl im Februar mehr als vier Wahlgänge erforderlich sein sollten. Ab dem fünften Wahlgang wird die Frauen/Männer-Regel ebenso ausgesetzt wie die Vorschrift, wonach jedes Land auf seinem Wahlzettel mindestens je drei KandidatInnen aus jeder der fünf Regionalgruppen ankreuzen muss, damit eine gleichmäßige geografische Verteilung der 18 Richterposten erreicht wird. Die NGOs hatten sich bei der Vertragsstaatenkonferenz im September vergeblich dafür eingesetzt, dass die Wahlregeln bis zum achten Wahlgang gelten. Denn bisherige Erfahrungen mit international zu besetzenden Wahlposten zeigen, dass zumeist bis zu acht oder gar mehr Wahlgänge erforderlich sind. Mischkowski befürchtet, dass bei dem auf der New Yorker Vertragsstaatenkonferenz im Februar „zu erwartenden Gekungele und der Pöstchenschieberei im internationalen Boys-Network Frauen doch wieder untergehen“. Deswegen dürften die NGOs mit ihrem Druck auf die Regierungen „nicht nachlassen“.

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