Ein Wettlauf gegen die Zeit auf Zypern

Eine Lösung des Konflikts auf der Grundlage des Plans der Vereinten Nationen ist weiter in der Schwebe

ISTANBUL taz ■ Unter massivem internationalem Druck bewegen sich die Parteien auf Zypern widerstrebend auf eine finale Lösung des 40-jährigen Konfliktes zu. Noch 10 Tage bleiben den zypriotischen Volksgruppenführern Glafkos Klerides und Rauf Denktasch nach dem Plan des UN-Generalsekretärs Kofi Annan, um am 11. Dezember, einen Tag vor Beginn des EU-Erweiterungsgipfels in Kopenhagen, ihr schriftliches Einverständnis unter die Grundzüge eines kantonalen Staates zu setzen.

Bislang üben sich beide Seiten in Ausflüchten, Verweigerungen und Ablehnung. Hatte zunächst Rauf Denktasch gezögert, schwenkten nach seinem Einlenken die griechischen Zyprioten um. Plötzlich hieß es aus Nikosia, dem Wunsch Annans, bis gestern eine qualifizierte Liste mit nicht akzeptablen Punkten vorzulegen, habe man nicht nachkommen können. Es sei unmöglich, vor dem 12. Dezember noch eine Zypernlösung zu erarbeiten.

Nachdem nur die türkische Seite Zeitknappheit bemängelt hatte, sind sich nun beide darin einig, mit völlig unterschiedlichen Konsequenzen. Während die Griechen drängen, die EU dürfe einen Beitritt des griechisch-zypriotischen Teils nicht noch von Zugeständnissen an die türkische Seite abhängig machen, drängt diese, die EU solle erst einen Termin für den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der Türkei festlegen.

Doch wollen weder die UN noch die EU und die USA die Chance ungenutzt lassen, beide Seiten mit der Belohnung einer EU-Perspektive nach einer Einigung unter Druck zu setzen. Heute trifft in Ankara der Vize-US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz ein und wird sich dort auch mit Griechenlands Außenminister Papandreou treffen, bevor er nach Zypern reist.

Der Bush-Administration liegt viel daran, Zypern vom Tisch zu haben, bevor der Irakkrieg beginnt. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat angeboten, ab Donnerstag in Nikosia mit beiden Seiten zu verhandeln. Aus Brüssel heißt es, möglicherweise würden Klerides und Denktasch nach Kopenhagen eingeladen, um im Kreise der EU-Größen den Vertrag zu unterschreiben.

Selbst wenn das klappt – was, wenn die Referenden im April scheitern? Während die Mehrheit auf türkischer Seite wegen der schlechten Wirtschaftslage wohl trotz territorialer Zugeständnisse zustimmen würde, wächst auf griechischer Seite die Ablehnung. Nach Umfragen der Zeitung Politis ist diese in einer Woche von 52 auf 64 Prozent gestiegen. JÜRGEN GOTTSCHLICH