Deutschland – mir graut vor dir

„Keiner will uns haben“, taz bremen vom 26.11.2002

Ich habe aus Solidarität mit den Betroffenen am Trauermarsch in Syke teilgenommen, der am Asylbewerberheim, dem ehemaligen „Zur deutschen Eiche“ begann und vor dem Kreishaus Syke mit einer Abschlusskundgebung friedlich endete. Als Deutscher finde ich es befremdlich, dass nur sehr wenige meiner eigenen Landsleute sich zu diesem Trauermarsch aufgerufen fühlten. Als regelrecht beschämend finde ich jedoch den Zustand des Asylbewerberheimes selber. Ein maroder, ja fast zusammenfallender Bau, als letztes Haus im Ort an einer Ausfallstraße, und zwar in jedem Sinne. Die Stadt Syke als Verantwortliche für die Unterbringung geht ein hohes gesellschaftliches Risiko ein, wenn sie den Asylbewerbern nur ein solches Rattenloch bieten kann. Die betroffene Familie hat mehr als oft um eine menschenwürdigere Unterbringung gebeten, eine angemietete Wohnung wäre die Stadt sogar günstiger gekommen als die Unterbringung im Heim. Aber das durfte nicht sein. Der Familie muss geholfen werden und zwar sofort und von den Verantwortlichen. Ein Bleiberecht ist das mindeste, was die Ausländerbehörde den Angehörigen bieten müsste, aber das darf wohl auch nicht sein. Roma sind in Serbien ein unterprivilegiertes Volk, das Repressalien von allen Seiten ausgesetzt ist. Aufgrund mehrerer Reisen nach Ex-Jugoslawien kann ich das bestätigen. Und alle Menschenrechtsorganisationen halten die deutsche Abschiebepraxis für inhuman. In den Medien war wenig über diesen tragischen Fall berichtet worden, der eine Familie mit kleinen Kindern ins Unglück stürzte, bestenfalls in Regionalzeitungen. Diese stellten aber sehr schnell in den Vordergrund, wie sehr die Mitarbeiter des Amtes unter Schock stünden über die Selbstverbrennung – und die Familie? Die Familie bekam nicht einmal Besuch vom Ausländeramt, um ihr in ihrem Schock behilflich zu sein. Deutschland – mir graut vor dir!

Wolfgang Winants, Eydelstedt