berliner szenen Ganz unten bei Aldi

Der Ein-Euro-Halter-Klau

Plötzlich war es weg. Spurlos verschwunden. Was niemanden wundern würde, wenn es ein Schlüssel gewesen wäre. Zum Beispiel. Oder eine Socke. Das sind Dinge, die gerne mal verschwinden. Doch das abhanden gekommene Etwas war das Plastikteil am Einkaufswagen, in das man einen Euro steckt, damit man einen Einkaufswagen losketten kann. Ich nenne es jetzt mal den Ein-Euro-Halter, wobei mir einfällt, dass auch das berühmte Ab-hier-ein-neuer-Kunde-Hölzchen an der Supermarkt-Kasse noch keinen lizensierten Namen hat. Auf jeden Fall war der Ein-Euro-Halter über alle Berge. Und das in einem Neuköllner Aldi. Mit Füllung, versteht sich.

Ich hatte auch wirklich nicht gut aufgepasst, sondern meinen Wagen an den Schattenmorellen im Glas stehen gelassen und die Waren nach und nach dorthin getragen. Klar, dass ich da nicht immer den Ein-Euro-Halter im Auge haben konnte. Offensichtlich hatte jemand mein kurzes Zögern vor dem Käseregal genutzt und meinen Einkaufswagen erleichtert. Allerdings bemerkte ich das erst nach dem Bezahlen. Genau untersuchte ich den Griff und auch den restlichen Einkaufswagen. Vielleicht war der Ein-Euro-Halter nur verrutscht? Oder ein Aldi-Kommando hatte ihn während meines Einkaufs am vorderen Teil des Wagens angebracht? Es sah komisch aus, wie ich meinen leer geräumten Einkaufswagen inspizierte. Vor allem aber war es ohne Erfolg. Der Ein-Euro-Halter war weg. Abgeschraubt. Geklaut. Eine merkwürdige kleinkriminelle Handlung. Vielleicht die merkwürdigste der Welt. Die Kassiererin aber, die ich auf den Vorfall aufmerksam machte, schaute mich verwundert an. So als sei ich eine irgendwie kranke Ein-Euro-Halter-Fetischistin.

JUTTA HEESS