village voice
: Zweierlei Flow: Thomas Fehlmanns neues Album „Visions Of Blah“

Das Fluten der Regenbögen

„Flow“ ist ein Grundprinzip von „Visions Of Blah“, dem neuen Album von Thomas Fehlmann. „Flow“ ist ein super Gefühl. Es stellt sich ein, wenn der Körper Serotonine ausschüttet. Beim Langstreckenlaufen oder Fallschirmspringen passiert das. Auch das Hören von „Visions Of Blah“ bewirkt einen Flow. Stücke wie „Rainbow Over Stadtautobahn“ oder „Luftikus“ versprechen das schon im Namen. Die Musik vereint dann gleich mehrere Formate, die elektronische Musik für Momente der Kontemplation, des Feierns und des Rausches so bereitstellt.

„Du Fehlst Mir“ etwa ist kein bitteres Stück Selbstzerstörungswahnsinn, sondern ein Hauch von Romantik. Harfenlaute und Tränentröpfchen perlen da über Synthiewölkchen. Sanft tuckert die Snare, warm dubbt der Bass von „Seerosengießen“. Oder „Superbock“: Transparenz durchzieht den Track, der Sprengsel aus Keyboard-Quaken über einer geraden Bassdrum ausbreitet.

Kein Wunder also, dass „Visions Of Blah“ beim Kompakt-Label erscheint. Denn die Kölner arbeiten wie Fehlmann gerne unter den Vorgaben „Dub“, „Ambient“ und eben „House, reduziert“. Nötig hat Fehlmann eine derartige Hipness-Garantie allerdings nicht: Längst ist sein Name selbst zum Logo geworden. Anfang der Achtziger aus der Schweiz zugereist, spielte er Keyboard bei den NDW-Smarties Palais Schaumburg. Gegen Ende des Jahrzehnts stellte er auf elektronisches Produzieren um, nicht ohne vorher als A&R-Manager noch die Rainbirds entdeckt zu haben. Er kompiliert 1989 das Techno-Album „Teutonic Beats“, koproduziert die visionären Detroit-Techno-Platten von Eddie „Flashin“ Fowlkes und Blake Baxter. Schließlich wird er Teil von The Orb, der Ambient-Gruppe schlechthin. Heute ist er Mitglied des Berliner Ocean Club und veranstaltet im Dezember „Marke B“, die Schau der Berliner Indie-Labels.

Doch während Fehlmann sich im Sound-Design der Ocean-Club-Radio-Show totaler Entspannung hingibt (können Trailer zu Rubriken wie „Glückskeks der Woche“ auch anders klingen?), schließt „Visions Of Blah“ in seinen Klangutopien auch das latente Unglück mit ein. Diffuse Terrorgefahr, mögliche Kriege und propagandistische Berichterstattung, die Bedrohung schwingt schon in der Eröffnung mit. Denn „Streets Of Blah“, jener Keks aus Snare-Knuspern und Walking-Bass-Shuffle, wird überlagert von einem technizistischen Grundrauschen. Kein warmes Kruschpeln aus Delay-Effekten, keine wohligen Mitten aus purem Echo: So klingt es, wenn Aufzeichnungsgeräte bereitgehalten werden.

Als bedürfe jeder der bildhübschen Orte von „Blah“ eines Monitorings: Unsere Kameras sind da, unsere Mikros auch. Jederzeit kann was passieren. Wir melden uns. Beim Dub-geschulten Fehlmann lässt der Titel-Bestandteil „Blah“ eben gleich an die Rastafarians und ihren Begriff für den Westen als Hort des Kapitalismus denken: Babylon. Und damit kommt man im Fall der „Visions Of Blah“ zur zweiten Assoziation mit dem Wörtchen „Flow“. Das kann ja auch ein ziemlich fatalistisches „Es ist, wie es ist“ bedeuten. „Ich verkaufe ein Produkt. Mein Produkt ist die Information, das ist halt so“, mag Mr. Anonym von CNN behaupten.

Solange die Kanäle allerdings nur bereit sind, solange sie nicht von Informationswaren aus Plappermäulern durchspült werden, so lange dürfen sie von Luftikussen und Regenbögen geflutet werden. Mögen sie weiter flowen. CHRISTOPH BRAUN

Thomas Fehlmann „Visions Of Blah“ (Kompakt/Efa)