Berlin fliegt auf billig

Mit Hapag Lloyd Express startete gestern bereits der sechste Billigfluganbieter in Berlin. Konkurrenz will gar schon für einen Euro in die Luft gehen. Die Dumpingangebote sind jedoch stark begrenzt

von SUSANNE KLINGNER

Draußen, vor dem Flughafen Tegel, stehen die Taxen in einer langen Reihe. Manche sind als New Yorker Cabs verkleidet und werben mit „Fliegen zum Taxipreis“. Der Billigflieger Hapag Lloyd Express, der mit diesem Slogan wirbt, drehte gestern seine Jungfernflugrunde von Tegel nach Köln/Bonn, wo seine Basis ist. Ab 19,99 Euro gibt es das Ticket für eine Strecke – ohne Bordverpflegung, aber inklusive Steuern. Mit dem Lockangebot sagt Hapag Lloyd Express den anderen Dumpingfliegern, die Berlin ansteuern, den Kampf an.

Mittlerweile machen in Berlin die Billigairlines einen Anteil von 20 Prozent aus, so ein Sprecher der Berlin Brandenburg Flughafen Holding. Sie erwartet ein weiteres Plus von bis zu 5 Prozent in diesem Winter. Denn in Berlin locken mittlerweile viele Anbieter die Kunden auf die Piste: Air Berlin fliegt 27 europäische Ferienziele an. Los geht es hier bei 49 Euro für einen Flug nach London. Die Deutsche BA bietet Düsseldorf und Köln/Bonn ab 27 Euro, Buzz fliegt nach London ab 39 Euro. Die Lufthansa bietet das komplette deutsche Netz ab 44 Euro. Mit dem absoluten Schleuderpreis von nur einem Euro pro Flug wirbt seit gestern die Germanwings. Auch hier ist das Angebot stark begrenzt – 50.000 Tickets für Flüge zwischen 7. Januar und 17. Februar sollen ausschließlich am Nikolaustisch vertickt werden.

Mit solchen Preisen könnten die Airlines eigentlich nicht wirtschaftlich fliegen. Trotzdem erzielen sie Gewinne. Das ist nur möglich, weil die Preise nur für einzelne wenige, sehr früh gebuchte Plätze gelten. Spätbucher zahlen, wie demnächst auch bei der Bundesbahn, kräftig drauf. So verlangte Hapag Lloyd für einen heute startenden Flug nach Köln gestern im Internet schon rund 65 Euro, für einen Rückflug am Donnerstag waren gar bis zu 159 Euro zu berappen. Für das Geld kommt man selbst mit dem Taxi ein gutes Stück voran. Zum Werbepreis gab es erst wieder eine Maschine am 12. Dezember.

Dennoch sind die Billigflieger gut ausgelastet. Auf Inlandsflügen zwischen 60 und 65 Prozent, sagt Germanwings-Geschäftsführer Joachim Klein. Angestrebt seien allerdings 80. Doch mit Hapag Lloyd Express werben sich bereits sechs Anbieter in Berlin mit Dumpingpreisen gegenseitig die Kunden ab.

Um so billig sein zu können, wird an allerlei Service gespart. „No Frills“, wie die Flieger im Jargon genannt werden, bedeutet „ohne Schnickschnack“: Es gibt bei einigen keine Verpflegung an Bord, der Service beschränkt sich auf das wichtigste. Doch vor allem im Vertrieb der Tickets versuchen die Airlines richtig viel Geld zu sparen, indem sie über das Internet buchen lassen. Ein Ticket, online gebucht, schlägt mit nur einem Euro zu Buche. Wird es im Reisebüro gekauft, kostet das die Airline das Zehnfache. Hapag Lloyd Express will trotzdem auch im Reisebüro buchbar sein. Das funktioniert hier vor allem deshalb kostengünstig, weil das Unternehmen eine hundertprozentige Tochter des Touristikkonzerns TUI ist, der immrhin 3.300 Reisbüros deutschlandweit hält.

Auf diese Infrastruktur kann nicht jeder der Billiganbieter zurückgreifen. Zwei Berliner Studenten wollten gar ganz darauf verzichten und ohne jegliche Vorerfahrung einen eigenen Billigflieger gründen. Am 7. Oktober warteten dann sechs Passiere und zehn Journalisten vergeblich am Flughafen Tempelhof auf ihren BerlinJet-Flieger. Seitdem sind die beiden Möchtegernunternehmer nicht erreichbar. Pro Flug zwischen Frankfurt am Main und Berlin sollten 30 Plätze zu je 33 Euro angeboten werden. Doch die Airline besitzt keine eigene Lizenz und sucht immer noch nach einem Partner.

Manche Gesellschaften greifen auch auf recht ungewöhnliche Sparpotenziale zurück. So weigern sich Germania und die Regionallinie Cirrus an den Berliner Flughäfen ihre Gebühren zu bezahlen. Der Streit wird nun voraussichtlich von einem Gericht entschieden. Denn die Berlin Brandenburg Flughafen Holding klagt gegen die zwei Airlines ein. Sie verlangt derzeit von allen Gesellschaften zusätzliche 2,50 Euro pro Passagier. Bei derzeitigen 6,60 Euro und einer weiteren geplanten Erhöhung im April 2003 machen Gebühren und Steuern dann rund die Hälfte eines 19-Euro-Tickets aus. Martin Gaebges vom Board of Airlines Representatives (Barig) errechnete für den Flughafen Schönefeld sogar eine zukünftige Summe von „mehr als 25 Euro“. Nun drohen mehrere Airlines mit Boykott der Gebühren. Allein auf die Lufthansa kämen laut Hartmuth Posner, Leiter des Lufthansa-Infrastrukturkosten-Managements, Mehrkosten von 36 Millionen Euro zu. In diesem Streit sind also die Fronten mal verkehrt: Nicht konventionelle gegen Billigairline, sondern alle zusammen gegen den Flughafen.