Preisaufschlag für Top-Unis

Tony Blairs Labour-Regierung denkt wieder über Studiengebühren nach: De-Luxe-Preise für Oxford & Co oder eine Graduiertensteuer sollen normales Bezahlstudium ergänzen. Cambridge zweifelt

Kritik im Kabinett Blairs: „Top-up fees“ sind eine „wirklich schlechte Idee“

aus London ULRIKE WINKELMANN

Tony Blairs unpopulärste Maßnahme für Studierende war bislang die Einführung von Studiengebühren im Jahr 1998. Seither dürfen die Universitäten 1.075 Pfund, rund 1.700 Euro, jährlich erheben. Die Studierenden protestierten damals scharf gegen New Labour. In seiner zweiten Legislatur droht Blair schon wieder Studentenprotest – beim gleichen Thema. Im Januar wird ein Regierungsbericht über die Zukunft der Studienfinanzierung vorgelegt, der eine Bombe enthält: Britanniens Studis sollen schon wieder draufzahlen.

Über das Wann und Wie von neuen Gebühren ist in der Labour-Partei im Königreich ein Streit entbrannt, der ahnen lässt, was Anfang kommenden Jahres auf der Insel los sein könnte. „Die kontroverseste Reform dieses Parlaments“, kommentierte der linksliberale Guardian Labours neuesten Husarenstreich an den Universitäten.

Zur Debatte stehen zwei Modelle: Die Top-Unis sollen Preisaufschläge auf die normalen Gebühren erheben dürfen, so genannte top-up fees. Oder die Gebühren werden als graduate tax erhoben, sprich: Absolventen zahlen nach der Uni – sobald sie einen bestimmtes Einkommensniveau erreicht haben. Auch der Vorschlag, die Studierenden wählen zu lassen zwischen „Jetzt studieren – sofort zahlen“ oder „Jetzt studieren – später zahlen“, steht im Raum.

Premierminister Tony Blair will offenbar den Spitzenunis, die Erhebung eigener Luxusgebühren erlauben. Deutlich sagt er das allerdings nicht. Er weigert sich nur beharrlich, ihre Einführung auszuschließen – obwohl seine Partei dieses Versprechen im Wahlkampf 2001 abgegeben hatte. „Eines ist sicher – der Status quo kann so nicht bleiben“, lautet Blairs Standardsatz.

Dass etwas geschehen muss, scheint allen klar. Den Hochschulen fehlen laut eigener Schätzung rund 10 Milliarden Pfund (15,7 Milliarden Euro) in den kommenden drei Jahren. Daher will Blair nicht auf die Graduiertensteuern warten, die erst fließen, wenn die Studienanfänger von morgen Besserverdiener sind. Steuergelder will Blair nicht in die Unis pumpen – da wären Krankenhäuser und Schulen eher dran, meinen er und seine Wähler.

Anders als sonst gelingt es dem Premier nicht, die Regierungstruppen auf seinen Kurs einzuschwören. Anfang November rebellierten bereits 120 Labour-Hinterbänkler gegen die Sondergebühren für Oxford, Cambridge und Co. Nun hat mit Entwicklungsministerin Clare Short das erste Kabinettsmitlied die top-up fees eine „wirklich schlechte Idee“ genannt. „Ich bin dagegen“, legte sich Short fest. Die Zusatzgebühren würden von Elite-Unis erhoben und von Reichen bezahlt – der sichere Weg ins Zweiklassensystem. Auch der Finanzminister, der Vizepremier und der neue Bildungsminister Charles Clarke favorisieren die Akademikersteuer. Ihnen geht es ohnehin um etwas anderes: Den Boden für die Tatsache bereiten, dass Studierende wieder tiefer in die Tasche greifen müssen.

Die britischen Hochschulen werden derzeit Opfer ihrer eigenen Reform. Seit Beginn der 90er-Jahre ist die Zahl der Studierenden von 15 auf mittlerweile 35 Prozent der Schulabgänger angestiegen. Das ist die Folge einer Öffnung des Hochschulsystems – seit 1992 dürfen sich auch Berufsfachschulen „Universität“ oder „College“ nennen. Die Einführung von Gebühren 1998 ließ die Zulassungskurve nur ein bisschen einknicken. Die 1.075 Pfund teueren Gebühren sind an soziale Kriterien gebunden, nur ein Drittel der Studierenden bezahlt voll. Seit 1989 ist die Zahl der Studierenden also um 90 Prozent gewachsen, die Ausgaben pro Studi sind jedoch um 37 Prozent zurückgegangen.

Tony Blair will den Hochschul-Spagat ganz bewusst. Erstens soll bis 2010 die Hälfte aller unter 30-Jährigen eine Hochschule besuchen. Zweitens sollen die britischen Hochschulen weiterhin in der Liga der weltbekannten Universitäten mitspielen. Anders gesagt: Es sollen so viele Engländer wie möglich studieren. Und die britischen Hochschulen sollen die US-Elite-Institutionen attackieren können – das kostet Geld.

Die Rede ist natürlich von den Unis, die schon immer berühmt waren, also Oxford, Cambridge sowie die drei Londoner Hochschulen London School of Economics (LSE), University College London (UCL) und das Imperial College. Es war der Rektor des Imperial College, Sir Richard Sykes, der als Erster den Finger hob: Seine Institution brauche 10.500 Pfund Gebühren pro Nase und Jahr (16.500 Euro). Oxford ließ nicht lange auf sich warten: 10.500 Pfund sei etwas viel – die Hälfte aber wunderbar. Medizin allerdings müsse man auf 15.000 Pfund (23.500 Euro) pro Jahr veranschlagen. Alle Befürworter der Luxusgebühren unterstreichen dabei, dass es ähnlich wie in den USA natürlich Stipendien, Studienkredite und Erleichterungen für arme Studierende geben müsse.

Doch nicht alle maßgeblichen Unis wollen die top-up fees: Überraschend scherte Cambridge Mitte des Monats aus. Cambridge-Kanzler Sir Alec Broers erklärte: Die Universität brauche zwar wesentlich mehr Geld – die Regierung aber habe noch nicht bewiesen, „dass höhere Gebühren nicht den Zugang negativ beeinflussen würden“. Die Studierenden-Vertretung hatte zuvor dafür gesorgt, dass siebenhundert Cambridge-Absolventen ihrer Uni keine weiteren Spenden zukommen lassen wollen, solange sie sich nicht von top-up fees distanziere.