Folgenreiche Spritztour nach Warschau

Margret Härtel war eine CDU-Hoffnung – jetzt ist die Hanauer Bürgermeisterin in eine Dienstwagenaffäre verstrickt

Eine Dienstwagenaffäre hat dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gerade noch gefehlt – mitten im Landtagswahlkampf. Protagonistin ist nämlich ausgerechnet die Hanauer Oberbürgermeisterin Margret Härtel, 59, die auch im Landesvorstand der hessischen Union sitzt. Zudem wirft ihr der SPD-Stadtkämmerer vor, dass sie ihr Budget um mehr als 700.000 Euro überschritten habe. In Hanau regiert eine große Koalition.

Zunächst hatte das „Magretche“ – so firmiert die gelernte Fotografin bei den Hanauer Christdemokraten – sogar noch öffentlich bestritten, dass sie sich im Dienstwagen von einer CDU-Tagung in Straßburg nach Warschau chauffieren ließ – zum Fettabsaugen in einer Spezialklinik, wie böse Zungen in Hanau behaupten. Doch keine 24 Stunden später musste die Oberbürgermeisterin alles zugeben. Ihr Fahrer hatte sich an die Wahrheit gehalten – und sein Fahrtenbuch ist auch keines mit sieben Siegeln, sondern für den Magistrat jederzeit einsehbar. Nach der Blamage räumte Härtel ein, „eine Dummheit begangen“ zu haben. Was für die private Polenfahrt im Dienstwagen nachgezahlt werden müsse, das werde sie umgehend an die Stadtkasse überweisen.

Den oppositionellen Grünen reicht das nicht. Sie fordern den Rücktritt der Oberbürgermeisterin, die sich stets sonnenbankgebräunt präsentiert, für die „Zillertaler Schürzenjäger“ schwärmt und im Kontakt mit den Bürgern so gerne Hessisch „babbelt“.

Noch schwerwiegender als die „Dienstreisenlüge“ sind für die Grünen die bislang verheimlichten Haushaltsüberschreitungen der Oberbürgermeisterin. Härtel habe den „ungeheuerlichen Geldbedarf der beiden Dezernate“ auf der letzten Magistratssitzung am Montag nicht nachvollziehbar begründen können. Auch die SPD ging inzwischen auf Distanz. Die Staatsanwaltschaft ermittelt schließlich schon wegen Verdacht auf Untreue. Und auch bei der Bevölkerung scheint die einstige Hoffnungsträgerin der hessischen Union, die sich gerne als „Hausfrau unter Hausfrauen“ geriert, allen Kredit verspielt zu haben. Bei einer spontanen Umfrage des Hessischen Rundfunks in Hanau jedenfalls verlangten fast alle Befragten ihren sofortigen Rücktritt. Und bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes wurde sie ausgepfiffen.

Dabei war Härtel in den 90er-Jahren eine der drei Frauen, die von der hessischen Union euphorisch gefeiert wurden, weil es ihnen gelungen war, bei Kommunalwahlen sozialdemokratische Hochburgen zu schleifen. Zu dieser erfolgreichen Frauenriege der CDU gehörten auch Petra Roth in Frankfurt und Ottilie Geschka in Rüsselsheim. Doch nur Roth sitzt als Oberbürgermeisterin heute noch fest im Sattel. „Otti“ Geschka wurde vor zwei Jahren beim Wiederwahlversuch von dem blassen Sozialdemokraten Stefan Gieltowski geschlagen. Und Margret Härtel, die 1994 als Ersatzkandidatin der Hanauer CDU direkt „von der Küche in die Politik“ ging und dann überraschend siegte, ist ganz offenbar dabei, sich selbst politisch zu eliminieren.

Sollte die Staatsanwaltschaft bald Anklage erheben, könnte es passieren, dass Roland Koch bis zum Wahltag am 2. Februar bereits die zweite seiner (ehemaligen) Vorzeigefrauen abhanden kommt. Den Imageschaden jedenfalls hat er schon.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT