UN-Inspektoren besuchen Palast

Am Wochenende muss der Irak eine Liste mit seinen Massenvernichtungswaffen vorlegen. Im Vorfeld machen Washington und London schon mal Druck. Bei den Durchsuchungsaktionen der Kontrolleure im Lande selbst gab es bisher keine Probleme

von KARIM EL-GAWHARY

Hochgradig symbolisch und generalstabsmäßig geplant war die gestrige erste Palastvisite der UN-Waffeninspektoren im Irak. In einer zunächst offensichtlich geplanten Irrfahrt rasten die weißen Jeeps der Inspektoren, gefolgt von Journalisten, zu früher Stunde durch die Straßen von Bagdad, um schließlich überraschend vor den Toren des Sujud-Präsidentenpalastes im Zentrum der irakischen Hauptstadt zum Stehen zu kommen. Gleichzeitig blockierten andere Inspektoren den Hinterausgang des Palastes. Hatten derartige Palastbesuche noch vor vier Jahren bei den Vorgängern der heutigen Inspektoren zu einer ernsthaften internationalen Krise geführt, weil ihnen der Eintritt untersagt worden war, öffneten sich nach ein wenig Geschrei der Wachen diesmal bereits nach zehn Minuten die Schlosspforten.

Fast zwei Stunden lang durchsuchten die Inspektoren anschließend die Gebäude. Als sie ohne weitere Erklärungen wieder herauskamen, ließen die irakischen Wachen dann sogar die Journalisten bitten, einen kurzen Blick in die präsidiale Empfangshalle zu werfen. Zu sehen war vor allem unbewohnter Pomp mit Marmorsäulen, Spitzbögen, Galerien und ein Modell des Palastes in der Mitte der Halle. An den Wänden preisen arabische Schriftzeichen das Werk Saddam Husseins.

Bisher haben die Inspektoren den irakischen Behörden Kooperationsbereitschaft bescheinigt. Doch der nächste große Test kommt am 8. Dezember, wenn Bagdad laut UN-Resolution 1441 eine Liste der noch in irakischen Besitz befindlichen Massenvernichtungswaffen vorlegen soll. Inoffiziell, heißt es inzwischen aus irakischen Regierungskreisen, werde diese Liste bereits am Samstag präsentiert. Über ihren Inhalt wurde bisher nichts bekannt.

Unterdessen erhöhen sowohl Washington als auch London den Druck auf die irakische Regierung. US-Präsident George W. Bush erklärte „das irakische Verhalten“ trotz der bisher ohne Zwischenfälle verlaufenden Inspektionen als „wenig ermutigend“ und stellte in Frage, dass Bagdad eine „glaubwürdige und vollständige Liste“ vorlegen wird.

Außerdem wiederholte Bush einmal mehr, dass er jeden irakischen Beschuss von US-Kampfjets in der Flugverbotszone im Norden und Süden des Iraks als „schwerwiegenden Verstoß“ gegen die UN-Resolution 1441 ansehe. Eine Interpretation, die bisher allerdings von keinem anderen Sicherheitsratsmitglied geteilt wird. Die Zonen waren 1991 von den USA, Großbritannien und damals noch Frankreich einseitig ausgerufen worden, wurden aber nie durch einen UN-Beschluss gedeckt. Der irakische Außenminister Naji Sabri bezeichnete diese Woche die dortigen Einsätze amerikanischer und britischer Kampfflugzeuge als „Staatsterrorismus“ und sagte, der Irak werde sich immer das Recht herausnehmen, sich selbst zu verteidigen.

Unterdessen kam es in den irakisch-kuwaitischen Küstengewässern zu einem Zwischenfall. Laut dem kuwaitischen Innenministerium soll ein irakisches Patrouillenboot in der Nähe der kleinen Golfinsel Warba auf zwei Schiffe der kuwaitischen Küstenwache gefeuert haben. Bei einem anschließenden Zusammenstoß der kuwaitischen Boote wurde ein Matrose verletzt. Seit dem Golfkrieg 1991 kommt es an dieser Grenze immer wieder zu kleineren Zwischenfällen, in denen sich beide Seiten abwechselnd vorwerfen, der Aggressor zu sein.

Bisher zogen solcher Grenzzwischenfälle noch keine schwerwiegenden Konsequenzen nach sich, und auch diesmal waren die kuwaitischen Behörden eher bemüht, den Vorfall herunterzuspielen. Auch Bagdad schwieg sich bis jetzt dazu aus.