Ein verbissener Zweikampf

Premier Djindjić und Präsidentschaftskandidat Koštunica werden sich weiter bekriegen

BELGRAD taz ■ Im Oktober vor zwei Jahren hat das aus achtzehn grundverschiedenen Parteien zusammengestellte Bündnis DOS das Regime von Slobodan Milošević zum Sturz gebracht. Die Streit im bürgerlich-nationalistischen, christlich-liberalen, sozialistisch-konservativen Parteienmischmasch, die Eitelkeit der Spitzenpolitiker, der Kampf um Ämter löste eine politische Dauerkrise in Serbien aus.

Der jetzige Premier Zoran Djindjić, heute wie damals unpopulär, wusste im September 2000, dass er als Gegner von Slobodan Milošević keine Chance hatte bei den Präsidentschaftswahlen. Analysen der amerikanischen CIA schufen das Profil des Mannes, der Milošević schlagen könnte: ein moderater Nationalist und Antikommunist, ein erwiesener Demokrat, unverbraucht und mit einer blütenweißen Weste. Das Profil entsprach dem unbekannten Führer einer kleinen, nationalistischen Partei – Vojislav Koštunica.

Djindjić schickte Koštunica ins Rennen gegen Milošević – und dieser gewann die Wahlen. Milošević wollte das Wahlergebnis nicht anerkennen und löste damit den Volksaufstand aus. Koštunica war der Star, Djindjić sein Schöpfer.

Während Koštunica als jugoslawischer Bundespräsident seinen Ruhm genoss und seine „Demokratische Partei Serbiens“ (DSS) die Position der plötzlich stärksten Partei des Landes zu verdauen versuchte, stellte Djindjić die Machtinstrumente Serbiens unter seine Kontrolle. Nach kurzer Zeit waren Koštunica und die DSS wieder marginalisiert. Seine enorme Popularität konnte Koštunica nicht in politische Macht umsetzen.

Djindjić wird alles tun, dass sich an dieser Sachlage nichts ändert. Bei einem Scheitern der Präsidentenwahl hofft er, ein Gesetz durchboxen zu können, dass der Präsident in Zukunft vom Parlament bestimmt wird. Bisher hat es Djindjić immer geschafft, sich eine Parlamentsmehrheit für seine Vorhaben zu sichern. In diesem Fall würde Koštunica im völlig einflusslosen Amt des Bundespräsidenten des serbisch-montenegrinischen Staates bleiben.

Koštunica versucht, mit der Drohung vorgezogener Parlamentswahlen zu kontern, die Djindjić wie die Pest meidet. Längst verhandelt die DSS-Führung mit einigen kleinen Parteien, die bisher zu Djindjić hielten, über einen Misstrauensantrag.

Der lachende Dritte bei diesem Zweikampf ist Vojislav Šešelj. Seine Popularität steigt ebenso wie die Wahlmüdigkeit. Die Wähler der „demokratischen Kräfte“ sind brüskiert und verwirrt. Auf der einen Seite steht Koštunica, ein erwiesener Demokrat, der aber im Grunde genommen gegen eine Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal für Kriegsverbrechen ist, die unheilvolle Rolle der Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić und Ratko Mladić, im Bosnienkrieg relativiert, im nationalistischen Rahmen denkt. Auf den anderen Seite steht der kompromisslos prowestlich orientierte Reformpremier Djindjić, umgeben von einer Schar fähiger, junger, energischer, doch arrogant wirkender Experten. Djindjić sucht stets den kürzesten Weg zum Erfolg. Wenn das heißt, das man demokratische Institutionen umgehen soll, dann tut er das, ohne zweimal nachzudenken. So entschloss sich Djindjić im Sommer unter dem Vorwurf, die DSS würde das serbische Parlament blockieren, indem sie immer gegen die Vorschläge der Regierung abstimmte, 45 Abgeordneten von Koštunica kurzerhand die Mandate zu entziehen und so seine Mehrheit zu sichern. Erst Monate später ließ er sie unter dem Druck der Öffentlichkeit, der EU, und des serbischen Verfassungsgerichts wieder ins Parlament.

ANDREJ IVANJI