Gefühlsecht

Die Chansonneuse Mouron erweckt mit ihrem Brel-Programm den Helden ihrer Jugend zu neuem Leben

„Marieke“, „Quand on a que l‘amour“, „Ne me quitte pas“ – allein die Titel wecken die Melodie im Kopf und zwingen das Lied auf die Lippen. Möglich, dass die Chansons des 1929 geborenen und trotz frühen Ablebens 1978 unsterblichen Jacques Brel deshalb als unverwüstlich gelten.

Doch sie sind es nicht. Das bemerkt, wer sich dem Zauber ihrer Sentimentalität überlässt und sie unbedacht nachsingt wie die Gemeinde ein Kirchenlied –inbrünstig und falsch. Wer es neu interpretieren will, muss das zerbrechliche Liedgut auf dem Grat zwischen Kitsch und Wahrheit ausbalancieren. So wie es die französische Chansonneuse Mouron tut. Nötig dafür sind extreme künstlerische Disziplin –und Demut.

Die Sängerin, bei ihrem ersten Bremer Gastspiel im Jungen Theater kongenial von Pianist Terry Truck begleitet, bekennt gleich zu Beginn des Abends, sie erfülle sich mit dem Jacques Brel-Programm einen unmöglichen Traum. Und im gleichen Sinne beschließt sie ihn auch – mit einem selbst geschriebenen Chanson, der als Collage von Motiven aus dem Brel‘schen Oeuvre dem quasi-mythischen Belgier huldigt.

Das ist mehr als eine kokette Geste. Das ist der Modus des Gebets: Und Mouron scheint‘s zu wissen. Als schauten sie das Ideal, sind die Augen in den Strahler des Bühnenhimmels gerichtet, wie um die sie ergreifenden emotionalen Energien abzufedern, wiegt sich die gedrungene Person von einem aufs andere Bein, hin und her, her und hin: Stetige Schwingung, die meditationserprobte buddhistische Mönche zur Levitation treibt.

Und es funktioniert: Alle Kraft ballt sich in der Stimme, der fremde Geist scheint den Oberkörper der Chansonneuse heimzusuchen: Die Mouron ist das Medium. Jacques Brel selbst singt.

Benno Schirrmeister

Mouron singt Brel: Jeden Abend bis zum 7. Dezember, Junges Theater, Güterbahnhof, jeweils 20.30 Uhr