Das zweite Problem der Bremer FDP

Die Weserliberalen kränkeln derzeit nicht nur wegen Jürgen W. Möllemann: Der ewige Spitzenkandidat Claus Jäger gilt als zu festgelegt, was die Wählermilieus betrifft. Zur Rebellion wird es wohl dennoch nicht kommen: Die Alternativen sind begrenzt

Nicht dass die Aussichten rosig wären: Die FDP hat bei den letzten Bürgerschaftswahlen 1999 2,5 Prozent errungen. Die Bundeskampagne für 18 Prozent erledigt sich da von selbst. „Die Zahl ist gestorben“, sagt auch der 25jährige Bremer FDPler Marco Horstmann, „nur der Wagen ist noch nicht umgespritzt“. Aber Träume haben sie noch immer, die Freidemokraten, von der SPD auf den Bremer Oppositionsbänken und von neun Prozent oder sieben Sitzen in der künftigen Bürgerschaft.

„Wenn alle Bremerinnen und Bremer, die bei der Bundestagswahl FDP gewählt haben, das auch am 25. Mai wieder tun, dann haben wir die neun Prozent.“ So rechnet der Landesvorsitzende und Ex-Wirtschaftssenator Claus Jäger, der wahrscheinlich auch diesmal wieder zum Spitzenkandidaten gekürt wird. Die Bremer FDP hat derzeit zwei Probleme: Das eine heißt Jürgen W. Möllemann und hat die Wählergruppen der Liberalen womöglich dauerhaft vergrätzt. Das andere heißt: Claus Jäger.

„Nochmal Jäger ist einmal zuviel“, sagen Leute, die es eigentlich gut meinen mit der Partei. Manfred Lange zum Beispiel, 47-jähriger Unternehmer und Sponsor der FDP-Wahlveranstaltungen im Bremer World Trade Center. Jäger sei „kein schlechter Politiker“, er habe Kontakte, könne gut reden, „aber er lähmt andere Kräfte in der Partei“. Die Chancen auf Erneuerung stehen, glaubt man dem Unternehmer, so schlecht, dass er nicht einmal mitstimmen will, wenn beim Landesparteitag am 25. Januardie Kandidatenliste für die Bürgerschaftswahl festgeklopft wird. Viele werden wohl für Jäger stimmen.

„Richtig glücklich ist glaube ich niemand mit ihm“, schätzt ein weiterer Funktionsträger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, dem aber gleichwohl keine Alternative einfällt. Bernd Richter, Geschäftsführer bei „Haus und Grund“ und Vorsitzender des größten Kreisverbandes der FDP, hat dagegen eine sehr pragmatische Haltung: „Man kann zu Herrn Jäger stehen wie man will, bei seinem Bekanntheitsgrad wären wir schlecht beraten, wenn wir das Gesicht nicht einsetzen.“ Richters Rechnung geht so: „Bei gut fünf Prozent bekommen wir drei bis vier Sitze: Einer ist für Jäger, einer für Bremerhaven“, es bleiben ein bis zwei fürs Hauen und Stechen.

Die Abkehr von Jäger hat bei einigen Parteigängern auch inhaltliche Gründe. Schließlich versucht sich die Bundes-FDP – auch um den Möllemann-Skandal positiv zu wenden – als Volkspartei. „Der Slogan von der Partei der Besserverdiendenden hat uns fast den Kopf gekostet“, stimmt der BWL-Student Marco Horstmann zu, der trotz seiner 25 Jahre als echter Parteisoldat daherkommt. Für ihn sind die auf die Bremer Stadtteile heruntergebrochenen Bundestagswahlergebnisse ein Indiz dafür, dass sie „nicht mehr nur ein Milieu, nämlich das der Steuerberater und Zahnärzte“ ansprechen dürfen – für dieses Milieu aber steht der Anwalt Claus Jäger. Während nämlich die FDP in ihren Hochburgen Schwachhausen und Oberneuland bis zu vier Prozent - vor allem an die Grünen -verloren hat, holten die Liberalen in Obervieland, in Huchting oder in Woltmershausen zum Teil zwei Prozent mehr als bei der Wahl von 1998.

„Das ist mir auch neu, dass man von Arbeitslosen gewählt werden kann“, kommentiert Horstmann trocken und hält diese Entwicklung gleichwohl für die Chance der FDP. Dass es sich jedoch bei den Randbezirksgewinnen auch um das peinliche Ergebnis aus Möllemanns anti-israelischen Ausfällen handeln könnte, mag keiner ganz ausschließen. „Aber dieser Effekt hält nicht an“, ist Horstmann sicher. „Und wenn wir diese Wählerinnen jetzt wieder verloren haben, ist es ein Zeichen dafür, dass uns die Verbreiterung misslungen ist“.

Mit ihrem bereits vorbesprochenen Parteiprogramm wollen die Liberalen ihr Bremer Scherflein zum „Projekt Volkspartei“ beitragen: „Unser Top-Thema ist die Pflege von Einwohnern und Steuerzahlern“, formuliert Jäger ganz allgemein. Kreisverbandsvorsitzender Bernd Richter konkretisiert: „Wir müssen was in den gewachsenen Wohnquartieren, für die Menschen, die dort leben, machen.“ Die Erwartungen an das Einwohnerwachstum, die die große Koalition geschürt habe, seien „reiner Tinnef“. Die Sanierung Bremens, so die FDPler unisono, ist der großen Koalition nicht gelungen. Jägers Fazit: „Es gibt also für den demokratischen Notfall der Großen Koalition, in dem die parlamentarische Opposition nicht mehr funktionieren kann, keine Begründung mehr.“

Elke Heyduck