Tick zu langsam im Kopf

Nach dem Verpassen des Halbfinales geht es für die enttäuschten deutschen Hockeyspielerinnen bei der WM in Perth darum, mindestens Sechster zu werden und in der Weltspitze zu bleiben

von CLAUDIA KLATT

Der klare 5:2-Sieg im abschließenden Gruppenspiel gegen die Ukraine konnte die deutschen Hockeyfrauen gestern nicht wirklich versöhnlich stimmen, hatte man doch 24 Stunden zuvor die Chance auf die Halbfinalteilnahme bei der 10. Hockey-Weltmeisterschaft im australischen Perth bereits verspielt. Folglich dürfte die Bestandsaufnahme des deutschen Frauenhockeys mit einem lachenden und einem weinenden Auge erfolgen. Das Maximalziel, das Erreichen des Halbfinales, hat man verpasst, doch wurden erneut, wie bei den Olympischen Spielen in Sydney, die Spiele um Platz 5 bis 8, erreicht. Da die Frauen nach zweijähriger Abwesenheit bei den Spitzenturnieren des Welthockeys sozusagen von unten kommen, ist dies durchaus als Erfolg zu werten.

Betrachtet man jedoch den Weg zum Erreichen des Minimalziels, wird schnell deutlich, dass mehr drin gewesen wäre. „Wir sind wahnsinnig enttäuscht“, bestätigt die Berlinerin Britta von Livonius, „vor allem, weil wir es mit einer guten Leistung hätten schaffen können.“ Nur gegen die favorisierten Argentinierinnen konnten die Deutschen und vor allem der Sturm mit Natascha Keller, Heike Lätzsch und Nadine Ernsting-Krienke die gewünschte Leistung zeigen. Am Ende schlug davon aber nichts zu Buche, das Match ging mit 0:1 verloren – eine Parallele zu den anderen wichtigen Gruppenspielen. Wie in den Vorbereitungspartien für die WM konnte das Team in den letzten zehn Minuten zwar meist noch etwas hinzusetzen, die Spiele gegen Südkorea und am Dienstag gegen China waren zu diesem Zeitpunkt aber bereits entschieden. Jeweils mit 1:3 wurde verloren.

Ähnlich wie bei den Olympischen Spielen gelang es dem deutschen Team nicht, sich über die gesamte Spielzeit in Szene zu setzen. Fehlpässe und andere Fehler machten den Unterschied zu den Chinesinnen aus, die ihre Chancen aus der Defensive heraus eiskalt nutzten. „Wir haben das Spiel in der ersten Halbzeit verloren, weil wir nur reagiert und nicht genug gearbeitet haben“, sagte Bundestrainer Peter Lemmen und sprach sogar von einem Rückschritt in der Entwicklung. „Wir waren im Kopf immer einen Tick langsamer“, ärgert sich die Kölnerin Heike Lätzsch, die ihr viertes WM-Turnier bestreitet. Das klingt vertraut, denn auch in Sydney wirkte das Team im entscheidenden Gruppenspiel gegen China gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange und musste alle Medaillenträume begraben.

Klare, wenn auch nicht unbedingt nette Worte fand die deutsche Kapitänin Franziska Gude: „Das haben wir heute selbst vergeigt. China war nicht so stark, dass wir sie nicht hätten schlagen können.“ Ganz bitter und vorentscheidend für das Verpassen des Halbfinales war für die deutschen Frauen aber der erste Dämpfer gegen Südkorea gewesen, denn Mittelfeldakteurin Tina Bachmann hatte da nach einem Kreuzbandriss die Heimreise antreten müssen.

Titelverteidiger Australien gegen Argentinien und Europameister Niederlande gegen China heißen die Halbfinals, das deutsche Team trifft morgen auf England. Nun eines der wichtigsten WM-Spiele, denn es muss unbedingt gewonnen werden, um die Optimalförderung vom Bund zu erhalten und den Anschluss an die internationale Spitze sicherzustellen. Nur die besten sechs Teams der Welt können sich nächstes Jahr in der Olympiavorbereitung auf Athen 2004 beim wichtigen Turnier um die Champion’s Trophy in Sydney miteinander messen.

Ebenfalls einen Dämpfer erhielten die Ambitionen des deutschen Hockey-Bundes, die nächste Weltmeisterschaft 2006 für Frauen und Männer in Deutschland ausrichten zu können: Die Männer können ihren Titel zwar im neuen Hockeystadion von Mönchengladbach verteidigen, die Damen müssen jedoch in Spanien antreten – und sich damit vorher qualifizieren.